Lachendes Löschen von Leuchte und Lebens Licht statt Adventskerzlein-Anzünden. Zum meteorologischen Winteranfang, Welt-AIDS-Tag und Jour des Heiligen Eligius, der widerspenstigen Pferden die Füße ausriss und fertig beschlagen wieder anheilte, nimmt die Deutsche Oper Berlin Richard Wagners TRISTAN UND ISOLDE wieder auf, in der ziemlich kontroversen Inszenierung von Graham Vick, die für Regieverächter auch ein dramaturgisches Raufen, Rupfen und Zupfen von Extremitäten ist, für den Konzertgänger jedoch – ja, fast ein Wunder.
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Liebesverwunderlich: Detlev Glanerts OCEANE an der Deutschen Oper
Juhu, endlich mal wieder eine Berliner Opern-Uraufführung mit Pause sowie unverquaster Sprache! Letzteres dank Theodor Fontane, der eine zwölfseitige Skizze über eine Wasserfee hinterließ, die unter die Menschen gerät, und dank Hans-Ulrich Treichel, der daraus ein Libretto gezimmert hat, das er Sommerstück nennt. Und die Musik des Komponisten Detlev Glanert in der am Sonntag an der Deutschen Oper uraufgeführten OCEANE kann man auch prima anhören.
WeiterlesenArg: Zemlinskys „Zwerg“ an der Deutschen Oper
Himmelhochjauchzen à la berlinaise: nichts zu meckern heute. Wahrscheinlich ist das sogar die beste, rundeste Premiere der Saison an der Deutschen Oper. Besetzung hervorragend, Orchester gut in Schuss, Inszenierung schlüssig. Und das Werk, DER ZWERG von Alexander Zemlinsky, eine arge Angelegenheit im besten Sinn.
Und das, obwohl Tobias Kratzers Regie der Sache über die biografische Schiene kommt. Da könnte man an sich zweierlei fragen: Erstens allgemein, was einen das heute noch anginge, dass Zemlinsky nur einssechsundfuffzig war und eine Frau ihn mal hässlich fand. Zweitens konkret, ob die inszenierten Auftritte von Komponisten in ihren Opern nicht abgenudelt sind. Der arge Hallodri Wagner in Koskys Bayreuther Meistersingern blieb zuletzt in bestürzender Erinnerung – ebenfalls im besten, d.h. schlimmen Sinn.
WeiterlesenDernieren (1): Berlioz‘ „La Damnation de Faust“ an der Deutschen Oper
Zum letzten Mal! Alle Welt spricht von Premieren – aber wer nimmt sich der Dernieren an? Was war, was wir vermissen werden und was nicht: der Konzertgänger als Opernnachrufer. Den Anfang macht Christian Spucks Inszenierung von Hector Berlioz‘ „La Damnation de Faust“, die Samstag an der Deutschen Oper Berlin zum verdammt allerletzten Mal gegeben wurde.
Im nicht gerade überfüllten Opernhaus herrscht an einem solchen Tag eine wundersame Atmosphäre, die an einen Badeort nach Ende der Saison erinnert. Weiterlesen
Bohnenbreiig: Alban Bergs „Wozzeck“ an der Deutschen Oper
Ach Gott, was wurde in wenigen Jahren aus dem hehren Wörtchen ewig! Ein Beben machendes neunmaliges Schlussmantra war dieses ewig in Mahlers Lied von der Erde. Im Wozzeck aber ist es nur noch ein Hohn, die hohe Tenorquetschvokabel des Hauptmanns im ersten Akt. Ein Weltkrieg und eine musikalische Revolution lagen dazwischen. Alban Bergs Wozzeck, 1921 fertiggestellt und 1925 uraufgeführt, gibts nun in einer neuen Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin. Musikalisch scheints eine recht runde Sache, fein geschält, inszenatorisch eher ein bunter Bohnenbrei. Weiterlesen
Sargzielig: „Tristan und Isolde“ an der Deutschen Oper
Hart am Ziel, wie Isolde im ersten Aufzug singt, scheint auch diese Tristan und Isolde-Produktion der Deutschen Oper Berlin, die nach zwei Aufführungen am 3. Oktober zum letzten Mal in dieser Spielzeit gegeben wird. Ob sie danach ganz eingesargt wird, ist ungewiss, aber ein langes Leben dürfte ihr angesichts der rapide sinkenden Publikumsnachfrage nicht mehr vergönnt sein. Einen Tristan mit halbleerem Saal kann sich so ein Haus auf Dauer nicht leisten. Aber für den Konzertgänger, er sagts immer wieder, ist diese Arbeit von Graham Vick eine der schönsten und berührendsten Tristan-Inszenierungen, die er kennt. Weiterlesen
Musikfest 2018: Deutsche Oper zimmermannt
Zur Kugelgestalt wird hier die Zeit. Eins der apartesten Zusammentreffen beim Musikfest bietet das Orchester der Deutschen Oper unter Donald Runnicles in der Philharmonie: Richard Wagner meets Bernd Alois Zimmermann. Letzterer einer von mehreren Schwerpunkten im diesjährigen Programm. Während die wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Sinfonie in einem Satz, die die Rotterdamer am Sonntag spielten, ihren panischen Ausdruck geradezu herausschrie, stehen an diesem Mittwoch zwei der stilistisch gefinkelteren letzten Werke auf dem Programm: das kurz vor Zimmermanns Selbsttötung 1970 entstandene Stille und Umkehr und davor Photoptosis von 1968. Ein schwer erschütterndes Doppel ist das.
Fishy: Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ an der Deutschen Oper
Letzte Gelegenheit, in verkommener Gesellschaft im Trüben zu fischen: Am kommenden Freitag gibts den allerletzten fischblutfleischroten Vorhang für Ole Anders Tandbergs Inszenierung von Dmitri Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk an der Deutschen Oper Berlin. Beim vorletzten Vorhang, erst der siebten Aufführung seit der Premiere 2015, war der Konzertgänger dabei. Aus Herzensneigung zur armen Lady Macbeth alias Katerina Lwowna, dieser kämpferischen Schwester der Katja Kabanowa, deren Mordbereitschaft sie am Ende doch auch nur ins Wasser führt (Handlung). Weiterlesen
Schattensichtbar: Aribert Reimanns „L’Invisible“ an der Deutschen Oper Berlin
Der französische Titel lohnt allein schon deshalb, weil offen bleibt, ob er DER, DIE oder DAS UNSICHTBARE bedeutet. Aber das ist nur einer von vielen Gründen, warum Aribert Reimanns neue Oper L’Invisible, uraufgeführt am Sonntag an der Deutschen Oper Berlin, so sehr lohnt: Dringliche Empfehlung für alle, denen diese Kunstform am Herzen liegt!
Das WER, WIE, WAS der Oper ist allerdings komplex. Aber nicht esoterisch, sondern hinreichend durchdringbar, um eine packende Opernerfahrung zu machen. Vorausgesetzt, man macht sich vorher ein klein wenig mit dem dreiteiligen Aufbau der Sache vertraut.
Schwarzgrünschwarz: Wagners „Fliegender Holländer“ an der Deutschen Oper
Kohlrabendüsterer neuer Holländer, der eigentlich Erik und Senta heißen müsste – sowohl was Sängerleistungen als auch was Regiekonzept angeht.
Ewiglächelnd: „Götterdämmerung“ an der Deutschen Oper
„Vivat Götz!“ schallt es aus Reihe 16 oder 17, nachdem der letzte Ton der Götterdämmerung verklungen ist und damit der erste von zwei Abschiedszyklen des Rings des Nibelungen vorbei. Aber genau mit dieser Götzdämmerung lässt die Deutsche Oper ja ihren Götz Friedrich hochleben, indem sie sich, wie er es schon zu Lebzeiten wollte, ab 2020 an einen neuen Ring macht. Für diesmal aber kommt der Konzertgänger mit guter Kunde zurück aus dem alten Ring. Noch einmal – zum letzten Mal – lächelte ewig der Gott.
Nur kaltschnäuzige Opernfreunde und, zugegeben, auch die ächzende Bühnenapparatur ersehnen schon lange das Ende der ewigen Qual. Fataler Hörfehler, denn Waltraute singt ja vom Ende der Ewigen Qual! (Wie macht man beim Singen Groß- und Kleinschreibung hinreichend deutlich?)
Entflammend: „Siegfried“ beim vorletzten Tunnel-Ring an der Deutschen Oper
Im Siegfried möchte der Konzertgänger normalerweise immer vorspulen. Nicht so in dieser Aufführung an der Deutschen Oper, mit der der vorletzte Zyklus von Götz Friedrichs legendärer Ring-Inszenierung seinem Ende zu eilt. Es ist, als wollte alles die Zeit anhalten.
Auf fast sechs Stunden dehnt sich der Mittwochabend, nicht nur wegen der ausgedehnten Pausen, sondern auch weil das Orchester (Sonderpunkte für Klarinette und Horn im zweiten Aufzug) unter Donald Runnicles, ohne Bummelei zwar, den Abschied weidlich zelebriert. Der Nachbar des Konzertgängers, der Urväter-Ring-Weisheit mit Löffeln gefressen hat, kann den Unterschied zu Böhms und Karajans Zeiten minutiös, ja sekundös belegen. Weiterlesen
Zeittunnelsausend: Erster letzter „Ring des Nibelungen“ an der Deutschen Oper

Henry Moore, Tube Shelter Perspective 1941, Copyright Tate
Hojotoho, Abschiedssause im Zeittunnel! Mit Rheingold und Walküre begann am Wochenende der erste der beiden letzten Zyklen, den die Deutsche Oper ihrem Ring des Nibelungen gewährt. In der legendären Götz-Friedrich-Inszenierung, die gefühlt älter ist als der Ring selbst. Ein düst`rer Tag dämmert dem Tunnel, in zwei Wochen geht’s mit Alba ab zum Recyclinghof.
Schon wieder eine Unendlichkeit vorbei also. Zu End‘ ewiges Wissen, wie Wilhelm Busch dichtete, hinab zur Mutter, hinab! Oder in Richard Wagners unsterblichen Versen: Eins, zwei, drei im Sauseschritt saust die Zeit, wir sausen mit. Weiterlesen
Sterbensschön: Brittens „Tod in Venedig“ an der Deutschen Oper Berlin
Vor der Schönheit dieser Musik werden auch geringere Schriftsteller als Gustav von Aschenbach krank: Zwar nicht mit Cholera, aber doch gesundheitlich angegriffen wohnt der Konzertgänger der Premiere des Tod in Venedig bei, mit dem die Deutsche Oper Berlin ihren Benjamin-Britten-Zyklus nicht vollendet, aber beschließt – nach vier von zwölf Opern. Vorläufig sei dieser Abschluss, orakelt Dirigent Donald Runnicles im Programmheft.
Im Tod in Venedig, Brittens letzter Oper von 1973, ist alles endgültig. Das Pendel, das bekanntlich schon in Thomas Manns Erzählung zwischen schwulem (genauer: päderastischem) Begehren und Todesvision hin und herschwingt, schlägt hier stärker in die letale Richtung aus. Weiterlesen
18.12.2016 – Adventsknusprig: Humperdincks „Hänsel und Gretel“ an der Deutschen Oper
Am vierten Advent geht’s mit Opa in die Oper! Und selbstverständlich auch mit den Kindern.
Dass Donald Runnicles seinen Vertrag als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin kürzlich bis 2022 verlängert hat, ist schon deshalb erfreulich, weil er nicht nur interessante Premieren macht, sondern auch regelmäßig angejahrte Repertoire-Ware entstaubt und musikalisch aufpoliert. Am vierten Advent nun passenderweise einen vorweihnachtlichen Klassiker: Andreas Homokis phantasiereiche tannengrün-kerzenrote Inszenierung von Engelbert Humperdincks Kinderstubenweihfestspiel Hänsel und Gretel, in der die Engel wie Roncalli-Clowns aussehen.