Walpurgisch: Juraj Valčuha und Saleem Ashkar im Konzerthaus mit Ravel und Berlioz

Idée fixe umarmt Komponist

Das vielbeachtete Berliner-Philharmoniker-Debüt von Klaus Mäkelä letzte Woche habe ich bewusst ausgelassen. Denn der Auftritt des dirigentischen Jungwunders im vergangenen Herbst mit dem Concertgebouw-Orchester, dessen designierter Chef Mäkelä ist, hinterließ bei mir zwiespältige Gefühle sowie den Eindruck, dass diesem Hochbegabten etwas weniger steiler Rummel besser täte. Ein fast doppelt so alter, aber noch immer sehr jugendlich wirkender Dirigent, dem ich hingegen eher mehr Aufmerksamkeit wünschte, ist der Slowake Juraj Valčuha. Als erster Gastdirigent des Konzerthausorchesters tritt er regelmäßig am Gendarmenmarkt auf. So auch in den letzten Tagen dieses Aprils.

Rund ums Schloss Bellevue singen schon überall die Nachtigallen, und am Spreeufer Höhe Paul-Löbe-Haus wird wieder argentinischer Tango getanzt, wenngleich noch bei eher feuerländischen Temperaturen. Dazu Ravel und Berlioz im Konzerthaus, das ist alles schon wie gemacht für einen glücklichen Abend.

Und Valčuha erfüllt die freudigen Erwartungen in der Symphonie fantastique von Hector Berlioz voll und ganz: alles höchst sauber gearbeitet, aber ohne Anstrengung und ohne einen Hauch von Haben-wir-schon-tausendmal-gespielt(-und-gehört)-Routine. Sowohl Sortierung als auch Erfüllung des Klangs sind erstklassig. Die Streicher spritzen und samten, das Holz bangt und schnarrt, das Blech glänzt und prangt. Volle Verve und jene gewissen Mischklangmomente sind da, was will man mehr? So genießt man Berlioz sinfonische Räuberpistole von der Sehnsucht bis zum Hexensabbat, die komplette Walpurgisbatterie, fünffaches Schlagwerk und Doppeltuba, die schamlosen vier Harfen des Balls; und zu meiner eigenen Hinrichtung wünsche ich mir auch solche vier Fagotte wie hier am Richtplatz.

Keine gravierenden Einwände auch zuvor im Klavierkonzert G-Dur von Maurice Ravel, Maîtres letztem Orchesterwerk von um 1930; nur dass die akustischen Verhältnisse des Großen Konzerthaussaals Symphonien leichter tragen als ein Solokonzert, ist schon zu bemerken. Saleem Ashkar ist ein solider, vielleicht etwas unscheinbarer Pianist. Interpreten sind Sklaven, soll Ravel (wenn ich mich recht entsinne) den Paul Wittgenstein angeraunzt haben, ein Sklave ist Ashkar nun nicht, sondern ein lichter Spieler, der immer drin bleibt im Spiel und bei den ganzen Trillerketten im Finale keine Knoten nicht bekommt weder in den Fingern noch im Hirn. Flott. Wunderbar, wie Valčuha das Orchester in seine Einsätze hineingleiten lässt und spannungsvoll phrasiert. Im Gesamtklang bleibt bei diesem Ravel etwas von leichter Zaghaftigkeit, aber vergnüglich ist es allemal.

Man mag solche Programme konservativ nennen, gar „Museum“. Aber so seriös und beseelt ist es ganz gegenwärtig, so macht Museum walpurgischen Spaß.

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