Schleierhaft: Anmerkungen zur neuen „Salome“ an der Staatsoper Unter den Linden

1. So wie nach der Schleier des Nichtwissens-Theorie des Philosophen John Rawls die Erbauer einer wirklich gerechten Gesellschaftsordnung nicht wissen dürften, wo ihr Platz in dieser künftigen Ordnung sein wird, so sollten die Verantwortlichen einer Opernhaussanierung einem Schleier des Nichtwissens unterworfen sein, auf welchem Platz sie im fertigsanierten Opernhaus sitzen werden. Es könnte ihnen, wenn sie die falschen Entscheidungen treffen, also passieren, dass sie im siebenundzwanzigsten Rang ganz linksaußen sitzen werden, sichtbehindert auf engen Stühlen zwischen zwei schnaufenden Falstaffs, wo man sich so behaglich fühlt wie Jochanaan in der Zisterne. Weiterlesen

Schattensichtbar: Aribert Reimanns „L’Invisible“ an der Deutschen Oper Berlin

Der französische Titel lohnt allein schon deshalb, weil offen bleibt, ob er DER, DIE oder DAS UNSICHTBARE bedeutet. Aber das ist nur einer von vielen Gründen, warum Aribert Reimanns neue Oper L’Invisible, uraufgeführt am Sonntag an der Deutschen Oper Berlin, so sehr lohnt: Dringliche Empfehlung für alle, denen diese Kunstform am Herzen liegt!

Das WER, WIE, WAS der Oper ist allerdings komplex. Aber nicht esoterisch, sondern hinreichend durchdringbar, um eine packende Opernerfahrung zu machen. Vorausgesetzt, man macht sich vorher ein klein wenig mit dem dreiteiligen Aufbau der Sache vertraut.

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Basskreiselnd: Mussorgskys „Boris Godunow“ an der Deutschen Oper

Dieser neue Boris Godunow an der Deutschen Oper hat ein offensichtliches und ein offenhörliches Zentrum. Das offensichtliche ist ein bunter Kreisel: kein Brummkreisel, sondern ein schaurig stummer. Das offenhörliche sind die farbigen Bässe: keine Brummbässe, sondern melosströmende.

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18.12.2016 – Adventsknusprig: Humperdincks „Hänsel und Gretel“ an der Deutschen Oper

Am vierten Advent geht’s mit Opa in die Oper! Und selbstverständlich auch mit den Kindern.

hansel_und_gretel2Dass Donald Runnicles seinen Vertrag als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin kürzlich bis 2022 verlängert hat, ist schon deshalb erfreulich, weil er nicht nur interessante Premieren macht, sondern auch regelmäßig angejahrte Repertoire-Ware entstaubt und musikalisch aufpoliert. Am vierten Advent nun passenderweise einen vorweihnachtlichen Klassiker: Andreas Homokis phantasiereiche tannengrün-kerzenrote Inszenierung von Engelbert Humperdincks Kinderstubenweihfestspiel Hänsel und Gretel, in der die Engel wie Roncalli-Clowns aussehen.

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