Schleierhaft: Anmerkungen zur neuen „Salome“ an der Staatsoper Unter den Linden

1. So wie nach der Schleier des Nichtwissens-Theorie des Philosophen John Rawls die Erbauer einer wirklich gerechten Gesellschaftsordnung nicht wissen dürften, wo ihr Platz in dieser künftigen Ordnung sein wird, so sollten die Verantwortlichen einer Opernhaussanierung einem Schleier des Nichtwissens unterworfen sein, auf welchem Platz sie im fertigsanierten Opernhaus sitzen werden. Es könnte ihnen, wenn sie die falschen Entscheidungen treffen, also passieren, dass sie im siebenundzwanzigsten Rang ganz linksaußen sitzen werden, sichtbehindert auf engen Stühlen zwischen zwei schnaufenden Falstaffs, wo man sich so behaglich fühlt wie Jochanaan in der Zisterne. Weiterlesen

Entflammend: „Siegfried“ beim vorletzten Tunnel-Ring an der Deutschen Oper

Im Siegfried möchte der Konzertgänger normalerweise immer vorspulen. Nicht so in dieser Aufführung an der Deutschen Oper, mit der der vorletzte Zyklus von Götz Ring45Friedrichs legendärer Ring-Inszenierung seinem Ende zu eilt. Es ist, als wollte alles die Zeit anhalten.

Auf fast sechs Stunden dehnt sich der Mittwochabend, nicht nur wegen der ausgedehnten Pausen, sondern auch weil das Orchester (Sonderpunkte für Klarinette und Horn im zweiten Aufzug) unter Donald Runnicles, ohne Bummelei zwar, den Abschied weidlich zelebriert. Der Nachbar des Konzertgängers, der Urväter-Ring-Weisheit mit Löffeln gefressen hat, kann den Unterschied zu Böhms und Karajans Zeiten minutiös, ja sekundös belegen. Weiterlesen