Konzertgänger auf Reisen: Bayreuther Dachschäden und Münchner Fenster

Fensterblicke nach Bayreuther Dachschaden (Symbolbild)

Auf kleiner Post-Bayreuther Alpen- und Süddeutschlandreise, vielleicht nicht zur Wagner-Entgiftung, aber durchaus als Gegengewicht. Unter anderem mit einem feinen Kammerkonzert in München, wo die Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft in einem Schwabinger Keller ein feines Programm rund um ein Thema ihres Namenspatrons präsentiert: Eine Melodie aus dem dritten Satz seines Kammerkonzerts von 1935, die man „jüdisch“ nennen mag (oder melismatisch, wehmütig), bildet den Rahmen, dreimal wird sie von Musikern des ensemble hartmann21 vorgestellt, zuerst auf der Klarinette (Georg Lamprecht), dann auf der Flöte (Serena Aimo), schließlich auf dem Vibrafon (Marcel Morikawa). Dazwischen gibt es drei sehr hörenswerte Stücke, eins für Flöte solo von Altmeister Luca Lombardi und zwei, bei denen die Harfe von Melis Çom den Klangraum erst erfüllt: eine reizvolle Uraufführung Fensterblick der sehr jungen Komponistin Maline Euen, ideenreich und mit viel Klangsinn, und ein meisterlich facettenreiches Fenster.Shloshim von Sarah Nemtsov, bestehend aus 30 Miniaturen. Nemtsovs Ehemann Jascha gab übrigens kürzlich ein kurzes, doch interessantes Interview, in dem er erklärte, warum er niemals nicht keinen Fuß auf den Bayreuther Grünen Hügel setzen würde. Seiner Reduzierung des Wagnerhörens auf „Rausch“ würde ich zwar nicht zustimmen, aber natürlich ist es bedenkenswert, und dass manche Wagnerianer statt Fenster zur Welt einen geistig-moralischen Dachschaden haben, evident. Über solche Dachschäden, aber auch über sowohl berauschende als auch ästhetisch und intellektuell aufregende Bayreuth-Erfahrungen mit Walküre, Tannhäuser und den Meistersingern von Nürnberg habe ich inzwischen einen weiteren, sehr ausführlichen Artikel fürs VAN Magazin geschrieben. (Mein Bericht über die Premiere des Fliegenden Holländers ist dort auch noch zu lesen.)

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Bericht aus Bayreuth: Mama räumt auf in der Männer-Psychoküche

Wagnerfrauenfigur erlöst Wagnerheld, Version 2021 (Symbolbild)

Seien wir ehrlich, der Holländer hat es redlich verdient, dass ihm endlich mal eine Jungfrau den Stecker zieht, statt sich um seine Erlösung zu bemühen. DER FLIEGENDE HOLLÄNDER als Besuch des alten Sohnes – nur die Frauen spielen nicht mit. Dirigentin Oksana Lyniv und Senta Eilish-Sängerin Asmik Grigorian prägen die Premiere. Aber der Regie von Dmitri Tcherniakov, an der es ziemlich viel Kritik gab, konnte ich einiges abgewinnen. Mein ausführlicher Bericht dazu ist jetzt im VAN Magazin zu lesen.

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Wagner … wuff!

Bald ist wieder Bayreuth (Sie werden von mir hören), aber erstmal habe ich eine Richard-Wagner-Erzählung geschrieben, die im neuen Max Joseph-Magazin der Bayerischen Staatsoper erschienen ist, edel bebildert von Julian Gravy. MEISTER UND KÖTER heißt der Text: Richard Wagner in München, betrachtet durch die altersschwachen Augen seines Hundes. Und so fängt er an:

Sonntag, 10. Dezember 1865, morgens 5 Uhr 27 Minuten und 28 Sekunden, vor dem Münchner Centralbahnhof

Grr-r, hu-u … ein scheußliches Wetterchen ist das und eine Uhrzeit, da jagt man doch keinen Hund vor die Tür, vor allem keinen einst stolzen, jetzt leider sterbenskranken Jagd- und Wachthund der edlen Art (früher gehörte ich ja einem Baron!), arg gebildet et similiter, aber hustend, und schon mal gar nicht mein treues Herrchen, das lieber Meister genannt werden will. Meister, jawohl! Eine richtige Persönlichkeit ist der! Und dann sowas, wie die begossnen Pudel stehen wir jetzt da, es nieselt auch eiskalt, ist das zu fassen? Meister ist ebenfalls stinksauer, wie ein Gespenst schaut er aus, schlaff hängt sein graues Haar, er murmelt: Scheißdrecks-Schnüffler, und: Sodomiten, und (aber bin nicht sicher, ob ichs richtig verstehe, man ist ein klein wenig harthörig geworden in den letzten Hundejahren): Arschgeigen, jawohl, das scheint Meister zu murmeln, lauter Arschgeigen in München. Bene dictum, wrruff! Dabei hatten die uns hier empfangen wie die schmachtende Braut den Bräuterich, ein einziges Hosianna, keine zwölf Hundejahre ist das her, und jetzt das, und jetzt das …
Ich fühl mich ja selbst schon wie ein Gespenst (wie der Herr, so der Köter – auch wenn Meister das Wort nicht mag, aber ich benutz es mit uraltem Köterstolz), Rheuma, überall kneifts, Zipperlein eines langen Hundelebens, die Pumpe ist auch schon flattrig

Weiterlesen? Hier kann man sich durch das schöne Magazin mit meinem Text blättern (ab Seite 48). Und irgendwann schreibe ich nach Beethovn, der übrigens im August als Taschenbuch erscheint, vielleicht auch einen Wagner-Roman.

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Quarantäne-Qualen (2): Mein erstes Mal in Bayreuth

Schicko machen für Bayreuth, na klaro – aber vor allem Händewaschen nicht vergessen!

Nix Konzerte weiterhin. Weiß der Himmel, wann es wieder losgeht. Wenn, dann sicher erstmal Kammermusik, klein besetzt und klein besucht, das ist weniger infektiös. Und bis dahin? Konserve hören. Klavier üben. Lesen. Um die dürre Zeit zu übertändeln, hier nach der Wiederveröffentlichung meines letzten Bayreuth-Berichts nun noch mein Artikel über meinen ersten Besuch überhaupt bei den Bayreuther Festspielen.

Und über Lohengrin. In Neukölln gings los. Von Little Beirut nach Bayreuth.

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Wehe, Walhall in Quarantäne-Qualen (1)

Zurück vom Ring!, rief das verfluchte Covid-19, und also gehen die diesjährigen Bayreuther Festspiele den Rheinfall hinunter. Das muss wohl so sein, alles andere wäre unverantwortlich. Da es also im Sommer nichts über einen neuen Ring des Nibelungen zu schreiben geben wird, veröffentliche ich hier noch einmal meinen Zeitungsbericht über die Festspiele 2019 mit dem neuen Tannhäuser. Mein Bericht von 2018 über Lohengrin folgt dann in ein paar Tagen. Bleiben Sie gesund und munter!

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Mit dem Fahrrad in den Venusberg

„Natürlich könnte man einwenden, dass dieses Fest eine überlebte Idee sei, zumal mit seiner erzbösen Geschichte. Ganz abgesehen davon, dass sich das alles aus Sicht des Steuerzahlers an der Grenze zur Clan-Kriminalität bewegt. Man leistet sich die Festspiele als putziges Kuriosum, so wie man auch den Panda zu retten versucht, das beliebteste Tier der Welt, obwohl er doch ein Irrtum der Natur ist, wie er sich mit seinem Nur-Bambus-Speiseplan in eine evolutionäre Sackgasse manövriert hat.“

Meinen vollständigen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über die diesjährigen Bayreuther Festspiele kann man im FAZ-Archiv lesen.

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Konzertgänger auf Reisen: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG bei den Bayreuther Festspielen

„Das Judenthum in der Musik, wie es dem Richard Wagner willkommen ist. Wenn es nämlich 25 Gulden für einen Sperrsitz bezahlt.“ Karikatur in der Zeitschrift Kikeriki, 1872

In ihrer Fokussierung auf die Person Wagner und dessen Judenhass mag Barrie Koskys eindrucksvolle Inszenierung der MEISTERSINGER VON NÜRNBERG, die am dritten Tag der Bayreuther Festspiele wiederaufgenommen wird, angreifbar sein. Aber sie packt einen und lässt nicht mehr los – und sie gewinnt noch, wenn man sie zum zweiten Mal sieht, anders als der Lohengrin am Vortag. Riesentheater ist das, ein Meilenstein, wie man es auch, aus ganz anderen Gründen, vom neuen Tannhäuser sagen wird, diese Prognose sei mal gewagt (mehr dazu in der heutigen FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG – lesbar am Kiosk oder für 45 Cent bei Blendle).

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Konzertgänger auf Reisen: LOHENGRIN in Bayreuth

Tag 2 der Bayreuther Festspiele, weiter geht’s nach dem sensationellen neuen Tannhäuser (mehr dazu von mir in der kommenden Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung) mit der Wiederaufnahme des sehr blauen Neo-Rauch-LOHENGRIN, in den Hauptrollen neu besetzt.

Man ist von den Opernhäusern überall außer in Bayreuth mittlerweile so an Übertitel gewohnt, dass man manchmal unwillkürlich hochschaut, aber nichts findet. Plötzlich ist (zumindest für diejenigen hier, die nicht jedes Wagnerwort auswendig kennen) Textverständlichkeit wieder eine verdammt wichtige Sache. Und da bietet der Lohengrin das ganze Spektrum.

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Konzertgänger auf Reisen: Bayreuths neuer TANNHÄUSER

Ein paar nächtliche Notizen zum eben erlebten neuen TANNHÄUSER, mit dem die Bayreuther Festspiele eröffneten – meinen ausführlichen Bericht vom Festival gibts dann am Wochenende in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG.

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Merckwürdicht: Der Konzertgänger fährt nach Bayreuth

Die FAS bekniet den Konzertgänger, für sie nach Bayreuth zu reisen.

Dem Konzertgänger ist etwas Merckwürdichtes passiert. Letztes Jahr träumte ihm, ein topfserieuses Medium wie die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG schickte einen losen Vogel wie ihn zu den Bayreuther Festspielen. Noch merckwürdichter, dass er, als er später der Sache nachstöberte, einen unter seinem Namen verfassten Artikel in der FAS vom vergangenen Sommer entdeckte, über eben jene Bayreuther Festspiele und den damals neuen Lohengrin. Was aber nun das Allermerckwürdichteste ist, dass ihm jüngst träumte, jene Sache solle sich heuer wiederholen, dergestalt dass er erneut zu den Bayreuther Festspielen führe, um über seine dortigen Erlebnisse, einschließlich der heiß erwarteten Tannhäuser-Premiere, zu berichten. Was daraus wohl wird? Am besten reservieren Sie sich bereits jetzt beim Zeitungshändler Ihres Vertrauens die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, die am kommenden Sonntag, den 28.Juli 2019, erscheinen wird. (Und schauen Sie während der Festspiele ruhig auch gelegentlich in dieses Blog.)

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Bericht aus Bayreuth: Fremd in der fremden blauen Welt

Die Bayreuther Festspiele laufen weiter, mit dem Fliegenden Holländer und dem mit Verblüffung und Spannung erwarteten Plácido-Domingo-Dirigat der Walküre. Der Konzertgänger ist nicht mehr dabei, sondern erholt sich von vier intensiven Tagen auf dem grünen Hügel. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ist indes sein Bericht aus Bayreuth erschienen: über den neuen Lohengrin, libanesische Hochzeitsgeschäfte, verschwundene Bräutigame, fränkische Fremdenzimmer und syrische Fremdenführer, kurz über die fremde blaue Welt von Bayreuth. Diesen Artikel kann man im FAZ-Archiv bestellen oder weitaus günstiger im digitalen Blendle-Kiosk (wenn es die erste Blendle-Bestellung ist, kostet sie sogar nullkommanix).

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Konzertgänger auf Reisen: „Die Meistersinger von Nürnberg“ in Bayreuth

Meistersinger and Friends, am Flügel Veit Pogner

Der Bayreuther Festspiele vierter Tag, und für den Konzertgänger der letzte; am fünften Tag, will heißen heute, erscheint seine epische Bayreuth-Reportage in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Der Vormittag im Richard-Wagner-Museum der Villa Wahnfried ist die rechte Einstimmung vulgo Einklemmung für die folgenden Meistersinger von Nürnberg in der Inszenierung von Barrie Kosky, die letztes Jahr großes Aufsehen erregte. So reizvoll, jede auf ihre ganz Weise, alle bisherigen Aufführungen waren – diese hier legt sich wie ein schwarzer Koloss auf die Seele. Gerade weil sie so fürchterlich leichtfüßig ist. Weiterlesen

Konzertgänger auf Reisen: „Tristan und Isolde“ in Bayreuth

Der Bayreuther Festspiele dritter Tag: Nach zwei Tagen Bullenhitze regnets ein bisschen. Zu Tristan und Isolde radelt der Konzertgänger durch die Mottlstraße von der Seite an den grünen Hügel ran, aus Gründen:

Heut Abend dirigiert der Mottl den Tristan / Hört Euch doch nicht von dem Trottel den Mist an / Schafft Euch viel lieber ein Drittel Most an / Und sauft Euch mit dem Mittel Trost an.

Doch bei Christian Thielemann gilt, besser erst Tristan, dann Most ran. Denn der Konzertgänger wird in Bayreuth glatt noch zum Thielemann-Fan. Weiterlesen

Konzertgänger auf Reisen: „Parsifal“ in Bayreuth

Der Bayreuther Festspiele zweiter Tag: Dirigent Semyon Bychkov erstmals auf dem grünen Hügel, mit der Wiederaufnahme des Parsifal. Flüchtige nächtliche Notizen: Das Debüt scheint gelungen, was Wunder bei einem so gestandenen Dirigenten. Logisch, dass das Orchester manchmal zurückhaltender klingt, risikoscheuer als beim gestrigen souveränen Thielemann-Dirigat des neuen Lohengrin. Der Chef kennt die Graben-Abgründe da ja genauer. Hier nun im ersten Aufzug butterweicher, breiter Strich, wunderschön. Klingt in Amfortas‘ Leidensszenen der Orchesterpart nicht fast nach Pathétique? Also, das hat was. Weiterlesen

Konzertgänger auf Reisen: „Lohengrin“ in Bayreuth

Als der Konzertgänger eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem Frankfurter-Allgemeine-Bayreuther-Festspiele-Korrespondenten verwandelt. Als solcher hatte er (in Vorbereitung dieser Bayreuther Gesamterlebnis-Reportage in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung) das Vergnügen, dem neuen Lohengrin beizuwohnen. Denn ein Vergnügen war es, in fast jeder Hinsicht. Weiterlesen