Mephistophelig: Zlata Chochieva spielt Rachmaninow, Chopin, Skrjabin und Liszt

Feierlicher Nachschlag zum diesjährigen Berliner Klavierfestival: Raritäten aus dem geheimen
Rachmaninow-Keller und mehr mit der vielversprechenden russischen Pianistin Zlata Chochieva im Kleinen Saal des Konzerthauses. Mit den drei Stücken aus Sankt Sergejs 1941 entstandener Transkription der E-Dur-Partita BWV 1006 etwa könnte man Rechtgläubige der Hystorisch Informyrten Bachsocietas wohl foltern, andererseits, wenn schon Bach auf modernem Flügel, warum dann nicht mit Schmackes? Zumal Chochieva das eben doch geschmackssicher dosiert, fast dezent. Die Firma Bösendorfer klingt bei ihr nie nach Rausch, Dröhn & Donner.

Weiterlesen

Zeitlosreich: Shai Wosner spielt Schubert

Der sich da in Reihe 4 so verrenkt, ist der Konzertgänger, welcher sich in den Hintern zu beißen versucht, dass er den ersten Auftritt von Shai Wosner beim Klavierfestival im Konzerthaus verpasst hat. Aber diesmal, immerhin, ist er dabei: wieder drei Schubertsonaten, und zwar die letzten. Sanktes Terrain also (darum Sterbehaus zur Linken!). Und nicht nur, weil Shai Wosner – wie Isabel Herzfeld anlässlich des ersten Konzerts anmerkte – dem Komponisten derart ähnelt, sondern auch weil er am Klavier eine körperliche Präsenz hat wie loderndes Schubertfeuer, will der Konzertgänger seine Augen partout nicht schließen. Aber dann zwingt ihn Wosners packendes Klavierspiel doch, keinen Deut Aufmerksamkeit mit Gucken zu verschwenden.

Weiterlesen

Hoppelteufelig: Daniil Trifonov spielt Beethoven, Schumann, Prokofjew

Die Phase „jahrelanger Geheimtipp“ hat Daniil Trifonov mit einem großen Hopps übersprungen, er füllt schon mit 27 die Philharmonie bis auf den letzten Platz. Im Grunde sind diese Klavierabende im Großen Saal eine Abwegigkeit – wo doch der Kammermusiksaal schon zu groß ist für Klavier. Trifonovs Programm bewegt sich zwischen irrwitzig und innig, wobei das Irrwitzige deutlich stärker gelingt. Bedenklich stimmt das Publikum, das auf Jubel gebürstet ist wie der Hooligan auf Krawall.

Weiterlesen

Blau: Víkingur Ólafsson im Pianosalon Christophori

Zwei Ereignisse, die das Menschengeschlecht voranbringen, ereigneten sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf Island: Erstens wurden Fußbälle auf die einsame Insel gebracht, zweitens Klaviere.

Um sich von der segensreichen Wirkung des Letzteren zu überzeugen, radelt der Konzertgänger an der schönen blauen Panke entlang zum Weddinger Pianosalon Christophori. Dort erwartet ihn ein tiefgestimmter, ja blauer Novemberabend: Das Klavierrezital von Víkingur Ólafsson bewegt sich in zweieinhalb Stunden nur einen Halbton aufwärts, von e-Moll nach f-Moll.

Weiterlesen

29.11.2016 – Singgehaltvoll: Marc-André Hamelin im Kammermusiksaal

Wie dem Spinat sein Eisen-Image, so eilt dem Kanadier Marc-André Hamelin der Ruf voraus, der technisch beste Pianist der Welt zu sein. Das mag, im Gegensatz zum Spinat, auch nicht falsch sein, allein wen interessiert’s? Musik ist ja kein Leistungssport mit Platzierungsabsicht. Außerdem schwingt manchmal ein maliziöser Unterton mit, so als wäre ein Pianist mit hohem Technikgehalt kein Künstler, sondern eine Maschine.

samuil_feinberg

Samuil Feinberg

In den Kammermusiksaal hat Hamelin, wie es scheint, kein Konzeptprogramm mitgebracht, sondern einen Haufen guter Musik – in dem sich dann allerdings doch interessante Querverbindungen erhören lassen. Der Saal ist nicht ganz ausverkauft, aber sehr gut besucht, auch Igor Levit ist da, mit rotem Schal in Block A links.

Connaisseurs sind selbstverständlich nicht wegen Beethoven oder Chopin gekommen, sondern wegen Samuil Feinberg (1890-1962).

Weiterlesen

18.10.2016 – Subsalonhaft: Yu Jung Yoon im Pianosalon Christophori

Ein Ausflug in den Weddinger Pianosalon Christophori ist immer zu empfehlen. Selbst wenn ein Musiker mal nicht so dolle sein sollte (was der Konzertgänger aber noch nicht erlebt hat), würde er schon um der Atmosphäre und der Instrumente willen lohnen.

Letztere bilden eine willkommene Abwechslung vom ewig brillanten Steinway-Einerlei. Erstere ist auch nach dem Umzug des Salons um wenige Meter (in der ehemaligen Halle logiert jetzt die Adidas Football Base) erhalten geblieben. Man kann sein Bier oder seinen Merlot mit an den Platz nehmen. Hochkultur in Subkulturflair, aber ohne nervige Elektrobeatz. Es ist jetzt etwas aufgeräumter als früher, aber immer noch hinreichend mysteriös. Denn in welchem Berliner Konzertsaal entdeckte man Weiterlesen

10.6.2016 – Vieleins: Julia Fischer und Igor Levit spielen Beethovens letzte Violinsonaten

Gebeugt wie der alte Horowitz (doch nicht von Wissen beschwert, sondern von Gram und Scham) begibt sich der Konzertgänger abends in den Kammermusiksaal, denn seine Frau hat ihn beim mittäglichen Musizierversuch ermahnt, er solle mehr wie Igor Levit spielen. Marcel_Duchamp,_1911,_La_sonate_(Sonata),_oil_on_canvas,_145.1_x_113.3_cm,_Philadelphia_Museum_of_ArtNämlicher vollendet gemeinsam mit Julia Fischer einen Zyklus von Beethovens Sonaten für Pianoforte und Violine (sic, in dieser Reihenfolge) mit den Nummern 9 und 10.

In das betörend simple Vier-Ton-Motiv, mit dem Ludwig van Beethovens Sonate Nr. 10 G-Dur op. 96 beginnt, zittert Julia Fischer sich so zart und zögernd, dass Yehudi Menuhin im Vergleich wie ein Bürstenschrubber klingt; Igor Levit antwortet so fragend, dass Wilhelm Kempff dagegen wie ein Haudrauf tönt. Als würde die Musik in eben diesem Augenblick erfunden.

Weiterlesen