Faster, Ödipussycat! Kill! Kill!

Mythenschröckliches von Turnage und Enescu an Deutscher und Komischer Oper

Wenn der Sohne mit dem Vater (Ödipus-Version)

Ödipus-Total-Wochen in Berlin, erwerben Sie drei Komplexe und Traumata zum Preis von fünf! Während am Deutschen Theater das Original von Sophokles in der Extended version läuft, gibt’s an der Komischen Oper den seltsamen Grand-Monologue Œdipe von George Enescu und auf dem Parkdeck der Deutschen Oper Mark-Anthony Turnages wüste Eddy-aka-Ödipus-Sause Greek. Keine Ahnung, ob es gesund ist, sich das alles reinzuziehen, aber der Konzertgänger tut’s: den Sophokles demnächst (gemeinsam mit dem Sohnemann – wenn schon, denn schon), bei den beiden Opern war er am Wochenende dabei. Puh.

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Zahnlos: Premiere von Massenets DON QUICHOTTE an der Deutschen Oper

Bild: Corradox

Eine Don Quichotte-Oper scheint eine Kuriosität, denn wie müsste ihr Held klingen, stellte man ihn sich nach dem Roman des Cervantes vor: verprügelt, durchgewalkt und ab Kapitel 18 fast ohne Zähne im Mund? Nun denn, sagt ihm da Sancho Pansa nach der Bimse durch einen liebestollen Maultiertreiber, in der unteren Kinnlade habt Ihr auf dieser Seite nicht mehr als zwei Backenzähne und einen halben und in der obern keinen halben und keinen ganzen mehr; denn da ist alles glatt wie die flache Hand. 

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Bohnenbreiig: Alban Bergs „Wozzeck“ an der Deutschen Oper

Hat Er schon seine Bohnen gegessen, Wozzeck?

Ach Gott, was wurde in wenigen Jahren aus dem hehren Wörtchen ewig! Ein Beben machendes neunmaliges Schlussmantra war dieses ewig in Mahlers Lied von der Erde. Im Wozzeck aber ist es nur noch ein Hohn, die hohe Tenorquetschvokabel des Hauptmanns im ersten Akt. Ein Weltkrieg und eine musikalische Revolution lagen dazwischen. Alban Bergs Wozzeck, 1921 fertiggestellt und 1925 uraufgeführt, gibts nun in einer neuen Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin. Musikalisch scheints eine recht runde Sache, fein geschält, inszenatorisch eher ein bunter Bohnenbrei. Weiterlesen

Prophetenmütterlich: Meyerbeers „Le Prophète“ an der Deutschen Oper

Sind die Täufer nicht slightly aktueller als der olle Luther? Nicht die Täufer im allgemeinen, sondern die von Münster, wie die Nachwelt (oder die Siegergeschichtsschreibung) sie darstellte: eschatologisch, apokalyptisch, menschheitserlösend, durchgeknallt, blutrünstig. Diese Art von Wiedertäufern gibts ja bis heute, sie führen Endzeitkämpfe aller Art. Sie haben das 20. Jahrhundert versaut, heute schneiden sie Ungläubigen die Köpfe ab oder wollen hierzulande unsere Kultur von Fremdkörpern reinigen.

Kein Wunder also, dass Giacomo Meyerbeers Le Prophète (uraufgeführt 1849, 14 Monate nach der Verfassung des Kommunistischen Manifests) derart knackt. Wenn die Aufführung so gut ist wie an der Deutschen Oper Berlin. Weiterlesen

Schattensichtbar: Aribert Reimanns „L’Invisible“ an der Deutschen Oper Berlin

Der französische Titel lohnt allein schon deshalb, weil offen bleibt, ob er DER, DIE oder DAS UNSICHTBARE bedeutet. Aber das ist nur einer von vielen Gründen, warum Aribert Reimanns neue Oper L’Invisible, uraufgeführt am Sonntag an der Deutschen Oper Berlin, so sehr lohnt: Dringliche Empfehlung für alle, denen diese Kunstform am Herzen liegt!

Das WER, WIE, WAS der Oper ist allerdings komplex. Aber nicht esoterisch, sondern hinreichend durchdringbar, um eine packende Opernerfahrung zu machen. Vorausgesetzt, man macht sich vorher ein klein wenig mit dem dreiteiligen Aufbau der Sache vertraut.

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Schmerzlich: Brittens „Billy Ohnesorg“ an der Deutschen Oper

Black_sea_by_Ivan_Aivazovsky2. Juni, schmerzlicher Abschied von Benjamin Brittens Billy Budd: für diese Saison, hoffentlich nicht für immer. Aber wo soll die Deutsche Oper Berlin das Publikum herzaubern für dieses Juwel? Besser kann sie ja kaum sein, dieser Billy Budd gehört(e) zum Stärksten, Eindrucksvollsten, Berührendsten, was hier in den letzten Jahren auf die Bühne gekommen ist. Weiterlesen

Ewiglächelnd: „Götterdämmerung“ an der Deutschen Oper

„Vivat Götz!“ schallt es aus Reihe 16 oder 17, nachdem der letzte Ton der Götterdämmerung verklungen ist und damit der erste von zwei Abschiedszyklen des Rings des Nibelungen vorbei. Aber genau mit dieser Götzdämmerung lässt die Deutsche Oper ja ihren Götz Friedrich hochleben, indem sie sich, wie er es schon zu Lebzeiten wollte, ab 2020 an einen neuen 800px-Siegfried_and_the_Twilight_of_the_Gods_p_130Ring macht. Für diesmal aber kommt der Konzertgänger mit guter Kunde zurück aus dem alten Ring. Noch einmal – zum letzten Mal – lächelte ewig der Gott.

Nur kaltschnäuzige Opernfreunde und, zugegeben, auch die ächzende Bühnenapparatur ersehnen schon lange das Ende der ewigen Qual. Fataler Hörfehler, denn Waltraute singt ja vom Ende der Ewigen Qual! (Wie macht man beim Singen Groß- und Kleinschreibung hinreichend deutlich?)

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Sterbensschön: Brittens „Tod in Venedig“ an der Deutschen Oper Berlin

Vor der Schönheit dieser Musik werden auch geringere Schriftsteller als Gustav von Aschenbach krank: Zwar nicht mit Cholera, aber doch gesundheitlich angegriffen wohnt der Konzertgänger der Premiere des Tod in Venedig bei, mit dem die Deutsche Oper Berlin ihren Benjamin-Britten-Zyklus nicht vollendet, aber beschließt – nach vier von zwölf The_grand_canal_of_Venice_(Blue_Venice)_-_Edouard_ManetOpernVorläufig sei dieser Abschluss, orakelt Dirigent Donald Runnicles im Programmheft.

Im Tod in Venedig, Brittens letzter Oper von 1973, ist alles endgültig. Das Pendel, das bekanntlich schon in Thomas Manns Erzählung zwischen schwulem (genauer: päderastischem) Begehren und Todesvision hin und herschwingt, schlägt hier stärker in die letale Richtung aus. Weiterlesen