Sanfter Spinettismus statt Virtuosengepranke, das sich in der heurigen Auflage des alljährlichen Grigory-Sokolov-Besuchs in Berlin nur einmal nebenher ereignet, aber nein, auch da ohne Gepranke, nur virtuos oder eben meisterlich: bei einer konzentriert hinbrillierten Rachmaninow-Zugabe, dem Prelude op. 23/2 als einem jener stets sechs Encores des dritten Konzertdrittels, in dem das Sokolov-Ritual erst seine Erfüllung findet. Die anderen sind zweimal Rameau (Les sauvages und Le Tambourin), zweimal Chopin (Prélude 28/15 und Mazurka 63/3) sowie einmal Bach (BWV 855a) im vollfülligen, dennoch faszinierenden Siloti-Ornat.
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Exzessgenau: Nikolai Lugansky beim Klavierfestival
Das Berliner Klavierfestival im Konzerthaus, Pflicht- und mehr noch Lusttermin für hiesige Pianophile, ist in der Mitte angekommen. Nach einem laut Isabel Herzfeld sehr gelungenen Schubert-Auftakt mit Shai Wosner und einem Konzert mit Marc-André Hamelin ist nun der überall, nur nicht in Deutschland, weltberühmte Nikolai Lugansky dran. Sein Spiel ist gleichermaßen hochvirtuos wie (für manchen Geschmack: zu) aufgeräumt.
WeiterlesenBonfortionös: Junge Deutsche Philharmonie, Saraste, Lugansky spielen Saariaho, Prokofjew, Carl Nielsen
Wer ernstlich meint, Deutschland ginge den Bach runter, der muss sich nur mal die Junge Deutsche Philharmonie im Konzerthaus anhören: Auch wenn man weiß, dass dieses Orchester aus den besten Studierenden deutschsprachiger Musikhochschulen besteht, ist man baff über das musikalische Niveau. Dass ein Dirigent wie Jukka-Pekka Saraste und ein Pianist wie Nikolai Lugansky gemeinsam mit dem 18- bis 28jährigen Nachwuchs auftreten, scheint keine pädagogische Aufopferung zu sein, eher Partnerschaft auf Augenhöhe.
Noch mehr Grund zur Freude: dieses sehr reizvolle Programm. Warum wird bei uns bloß so wenig Carl Nielsen gespielt? Weiterlesen
17.5.2016 – Klavierfestival (1): Nikolai Lugansky spielt Schubert, Medtner, Rachmaninow
Unspektakulärer kann ein Eröffnungskonzert nicht beginnen: Nikolai Lugansky spielt zum Beginn des Berliner Klavierfestivals 2016 im Konzerthaus Zwei Scherzi D 593 von Franz Schubert. Zumal das erste in B-Dur hat bei Lugansky Spieldöschen-Charme, Lugansky führt es gewitzt mechanisch vor, fast klingt es wie ein Stück aus Schostakowitschs Tanz der Puppen. Man ist erstaunt, dass dieses eingängige Stück noch nicht von Klavierschülern zugrunde geübt wurde.
Das gleichermaßen enthusiastische wie professionelle Berliner Klavierfestival, vom Pianomaniac Barnaby Weiler im fünften Jahr privat auf die Beine gestellt, findet im Kleinen Saal des Konzerthauses am besten denkbaren Ort statt.
Während Grigory Sokolovs extraterrestrische Genialität in der riesigen Philharmonie vor einigen Tagen wie stets von ferne zu ahnen war, hört man hier direkt und nah. Der Yamaha-Flügel ist eher eine Geschmacks- als Qualitätsfrage, für den Geschmack des Konzertgängers klingt der Diskant allerdings schon arg reizlos. Was bei Schubert natürlich schon ein Handicap ist. Seelenvoll ist anders; ein Schwachstarktastenkasten zweifellos, ein Klangfarbenmalkasten eher nicht.
Aber Lugansky ist ein nobler Pianist mit klarem Anschlag, und die Ausgewogenheit des Flügels kommt seinem virtuosen, dabei im besten Sinn aufgeräumten Spiel entgegen. Dabei geht er Schuberts Impromptus D 935 mit sympathisch altmodischen Temporückungen an, das erste in f-Moll drängend, das zweite in As-Dur eher Andante als Allegretto. Im dritten (mit dem Rosamunde-Thema) zögert er den Beginn der Variation IV in der schönsten aller Tonarten, Schuberts ureigenem Ges-Dur, unendlich hinaus: himmlisch ist das. Wie auf ganz andere Weise auch Variation V, bei Lugansky rasend schnell, federleicht virtuos.
Auf eigenstem Terrain ist Lugansky, immerhin offizieller Volkskünstler Russlands, im zweiten Teil des Programms. Musik von Nikolai Medtner (1880-1951) kann man in Berlin sonst eigentlich nur im Pianosalon Christophori hören. Luganskys Auswahl aus den Vergessenen Weisen op. 38, einer Art Nachlass zu Lebzeiten, weckt den Wunsch, mehr von dieser alles andere als avantgardistischen, aber überaus stimmungsvollen Musik kennenzulernen: insistierend und irrlichternd die Danza rustica, ohrwürmlich die Canzona serenata, exaltiert die Danza silvestra, ungeheuerlich sich steigernd das Schlussstück Alla Reminiscenza.
Reiner Klaviergenuss schließlich die Moment Musicaux – nicht von Schubert, sondern von Sergej Rachmaninow. Lugansky spielt die Nummern 3 bis 6, darunter einen Trauermarsch (Andante cantabile in h-Moll), ein mächtig gewaltiges Presto in e-Moll für Linke-Hand-Protze und schließlich den majestätischen C-Dur-Schlussrausch, von Lugansky brillant aus dem Handgelenk geschüttelt. Das nennt man wohl russische Schule. Spektakulärer kann ein Eröffnungskonzert nicht enden.
Hiermit sei Lugansky zum Volkskünstler der Menschheit ernannt. Zumal er einem sehr ungezogenen Teil der Menschheit, dem unruhigen Berliner Publikum, noch vier Zugaben schenkte:
- das Wiegenlied op. 16 von Tschaikowsky in der Bearbeitung von Rachmaninow
- das Intermezzo aus Schumanns Faschingsschwank aus Wien (das neulich auch Yefim Bronfman nach seinem Prokofjew-Rezital zugab)
- Nikolai Kapustins irre Etüde op. 40, Nr. 6 Pastorale
- die erste Arabesque von Claude Debussy
Hier noch eine kleine Zugabe von Lugansky aus dem Jahr 2008 (als Inspiration, mal wieder die linke Hand zu trainieren):
Nächstes Konzert des Klavierfestivals mit Benjamin Grosvenor am 21. Mai; weitere Konzerte mit Paul Lewis (23. Mai), Sophie Pacini (27. Mai) und Nikolai Demidenko (2. Juni). Anscheinend für alle Konzerte noch ein paar Karten erhältlich. Zum Klavierfestival
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