Kältebarmend

Premiere „Die Sache Makropulos“ von Leoš Janáček an der Staatsoper Unter den Linden

Obacht, bevor du die Unsterblichkeit anschaust!

Was für eine Vision: als altgewordener Mann die Geliebte von vor fünfzig Jahren wiederzutreffen, und sie ist genauso jung wie damals, während man selbst am Abend seines Lebens steht. So ergeht es einer Nebenfigur namens Hauk-Šendorf in Leoš Janáčeks „Sache Makropulos“: Tenorbuffo, was die Schwerstmut der Angelegenheit ins Ulkig-Bizarre dreht, dazu spanische Rhythmen, Kastagnetten etc pp. Denn die Geliebte hieß Eugenia Montez, damals war’s, in Spanien … Aber wie fühlt sich das aus der anderen Perspektive an – aus Sicht der Ewigjungen, die den gealterten Liebhaber wiedertreffen muss?

Eine der vielen faszinierenden aus mehreren Perspektiven faszinierenden Situationen in dieser Oper, die einen zuverlässig überwältigt, auch wenn man die Handlungsfeinheiten erst nach der circa dreißigsten Vorstellung kapiert. Denn der Auslöser, ein verzwickter juristischer Erbschafts-Kasus, ist schwer zu durchblicken. Die zugrundeliegende, offenbar eher mittelmäßige Theatersatire von Karel Čapek (dem Schriftsteller, der das Wort „Roboter“ erfand) färbte Janáček in ein sondergleichen existenzielles Drama um, ein genialisches Missverständnis, über das Čapek verwundert den Kopf schüttelte. Die Komik ist aber zum Teil geblieben: Hauk-Šendorf etwa will sofort die Juwelen seiner Ehefrau versetzen, die so alt ist wie er, um mit der aspikierten E.M. durchzubrennen, als könnte er so vor dem Tod davonlaufen.

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sch:wer:fällig: Beat Furrers „Violetter Schnee“ an der Staatsoper Unter den Linden

Gibts heutzutage eigentlich was Langweiligeres als Apokalypsen? Hat schon seinen Grund, dass das Genre gänzlich vom Blockbuster aufgesogen scheint. Auf der Opernbühne schien Ligeti schon 40 Jahren mit Le Grand Macabre, der das Breughelland heimsucht, alles zur Apokallüpse gesagt zu haben. Nun aber legt Beat Furrer mit seiner neuen Oper Violetter Schnee, einem Auftragswerk der Staatsoper Unter den Linden, noch eine apokalyptische Vision vor. Die spielt kurioserweise auch im Breughelland, aber ist eher bierernste Tiefgründelei als feuchtfröhliche Höllenfurzfarce. So rein vom reizvoll Musikalischen her bemüht man sich aber ganz gern, mittiefzugründeln. Weiterlesen

Durchgedreht: Brittens „The Turn of the Screw“ an der Staatsoper Unter den Linden

Feschttage-Rummel isch over: Nach dem österlichen Großbohei mit Verdi, Wagner, Debussy, Argerich, Barenboim & Co darf die Staatskapelle erstmal verschnaufen vom Akkorddienst im Akkord. Aber just wenn sich Starflut und Klangwogen verzogen haben, tauchen im scheinbar schilfigen Schlick oft die feinsten Perlen auf: etwa Benjamin Brittens nun wiederaufgenommene Kammeroper The Turn of the Screw (1954) nach der Erzählung von Henry James. Dazu brauchts im Orchestergraben nur 13 Musiker: ein Streichquintett, vier Holzbläser, an Blech lediglich ein Horn, dazu Schlagwerk, Harfe und Klavier/Celesta. Während der große Orchesterapparat sich erholen darf, ist das Publikum aufs Äußerste gefordert.

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5.6.2016 – Being Barenboim: Vom Geburtstagskonzert für Martha Argerich zu Martinůs „Juliette“ in der Staatsoper

Einmal auf Daniel Barenboims Spuren wandeln, nein rasen: 15 Uhr Geburtstagskonzert für Martha Argerich in der Philharmonie, 19.30 Uhr Bohuslav Martinůs Juliette in der Staatsoper. Mit dem Fahrrad kommt man sogar schneller rüber als der Maestro in der Limousine. Zumal wenn im Tiergarten ADFC-Sternfahrt ist. Vielleicht trudeln deshalb viele Besucher bei

Martha Argerichs Geburtstagskonzert

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in der proppenvollen Philharmonie erst ein, als die Jubilarin und Barenboim mit Mozarts Sonate für 2 Klaviere D-Dur KV 448 schon fertig sind. Ärgerlich bei Kartenpreisen bis 220 Euro, andererseits fließen ohnehin alle Einnahmen einem guten Zweck zu, dem BER der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden.

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