Kältebarmend

Premiere „Die Sache Makropulos“ von Leoš Janáček an der Staatsoper Unter den Linden

Obacht, bevor du die Unsterblichkeit anschaust!

Was für eine Vision: als altgewordener Mann die Geliebte von vor fünfzig Jahren wiederzutreffen, und sie ist genauso jung wie damals, während man selbst am Abend seines Lebens steht. So ergeht es einer Nebenfigur namens Hauk-Šendorf in Leoš Janáčeks „Sache Makropulos“: Tenorbuffo, was die Schwerstmut der Angelegenheit ins Ulkig-Bizarre dreht, dazu spanische Rhythmen, Kastagnetten etc pp. Denn die Geliebte hieß Eugenia Montez, damals war’s, in Spanien … Aber wie fühlt sich das aus der anderen Perspektive an – aus Sicht der Ewigjungen, die den gealterten Liebhaber wiedertreffen muss?

Eine der vielen faszinierenden aus mehreren Perspektiven faszinierenden Situationen in dieser Oper, die einen zuverlässig überwältigt, auch wenn man die Handlungsfeinheiten erst nach der circa dreißigsten Vorstellung kapiert. Denn der Auslöser, ein verzwickter juristischer Erbschafts-Kasus, ist schwer zu durchblicken. Die zugrundeliegende, offenbar eher mittelmäßige Theatersatire von Karel Čapek (dem Schriftsteller, der das Wort „Roboter“ erfand) färbte Janáček in ein sondergleichen existenzielles Drama um, ein genialisches Missverständnis, über das Čapek verwundert den Kopf schüttelte. Die Komik ist aber zum Teil geblieben: Hauk-Šendorf etwa will sofort die Juwelen seiner Ehefrau versetzen, die so alt ist wie er, um mit der aspikierten E.M. durchzubrennen, als könnte er so vor dem Tod davonlaufen.

Weiterlesen

Sanfttrollig: Marlis Petersen und Camillo Radicke besuchen die „Anderswelt“

Fabelwesen sehen an dir vorbei: Meerjungmann Merikanto

Es rappelt Raritäten: neunundneunzig Nixen und Nöcks, elfundelfzig Elfen und irisierende Irrlichter von sage und höre zweiundzwanzig verschiedenen Komponisten. Acht von ihnen Klassiker, von sechsen hat der Konzertgänger noch nie gehört, von weiteren acht zumindest schon mal den Namen vernommen; wenn auch nicht immer als Komponisten. Während im (vielleicht für sowas allzu gut ausgeleuchteten) Großen Saal der Philharmonie das DSO den Nixe-im-Mondschein-Schwelger Rusalka konzertant aufführt, hält im Kammermusiksaal die offizielle Saisongästin der Berliner Philharmoniker Hof, Marlis Petersen, quellkundige Nickerine unter den Sopranistinnen: Anderswelt heißt ihr Liederabend.

Weiterlesen

Wohlkandidelt: Kirill Petrenko inauguriert mit Alban Berg und Beethovens Neunter

Ausnahmezustand? Nun ja, die alte Nachbarin des Konzertgängers und der Späti-Verkäufer am Eck wirken tiefenrelaxt wie immer. Aber das philharmoniker-affine Berlin freut sich, dass Kirill Petrenko inauguriert. Während der Wartezeit auf den neuen Chef der Berliner Philharmoniker wirkte die Stimmung ja teilweise überkandidelt, auch dieses Blog hier kandidelte hoch. Aber fürs offizielle Antrittskonzert hat Petrenko dennoch ein ganz besonderes Werk ausgesucht, etwas Ewiges gleichsam.

Sie wissen natürlich längst, wovon die Rede ist. Richtig: Alban Bergs Lulu-Suite.

Weiterlesen