11.3.2017 – Linear: Vogler Quartett spielt Sven-Ingo Koch, Schubert, Schumann

wassily-kandinsky-schwarze-linienUnwahrscheinlich, wie weit ein fast frivol simpler Ausgangspunkt führen kann. Dieser Punkt ist die Linie: auf- und abwärtsführend, gezeichnet aus Ganztönen, Halbtönen, Vierteltönen, Achteltönen, auch brahmsschen Sexten, wie der Primarius des Vogler Quartetts in seiner Einführung zu Sven-Ingo Kochs Streichquartett Nr. 2 im Konzerthaus erläutert. Eine lockere Einführung, die hilfreiche Informationen liefert, aber mehr noch eine werbende Einladung zum offenen Hören ist. Denn klanglich erschließt sich das Stück unmittelbar – wenn man es seinen Ohren denn erlaubt: Mal flirrend durchsichtige, mal sehr warme Klänge entstehen aus den Linien, bald fragil, bald schwermütig, manchmal witzig, oft mystisch. Herzensmusik, nennt Tim Vogler das und  verheißt Viertelton-Ohrwürmer. Weiterlesen

28.1.2017 – Salonnostalgisch: Vogler Quartett und Jochen Kowalski à la russe

Russisches Wochenende im Konzerthaus: Während es im Großen Saal zwei Großviecher des russischen Repertoires gibt (formidabel, wie man liest), präsentiert das Vogler Quartett im Kleinen Saal phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind: in den Petersburger Salons des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

der_junge_tschaikowskiDass sich für diese exotische Fauna ein etwas anderes Publikum interessiert als sonst, zeigt sich bereits in Tschaikowskys 1. Streichquartett D-Dur op. 11, in dem jeder Satz enthusiastisch beklatscht wird. Was zu den erträglichen Hörstörungen gehört, weil es ja zeigt, dass die sich als Kenner Wähnenden nicht unter sich bleiben (um gemeinsam auszusterben). Das Vogler Quartett spielt lebendig, freudig und ohne zu großen Wohlklang – ein Pluspunkt, wenn Tschaikowsky nicht im schönen Ton ertrinkt. Die direkte Akustik des Kleinen Saals, in dem man jedes Atmen und Knarzen der Instrumente spürt, trägt dazu bei. Für Kammermusik besser geeignet als der Kammermusiksaal, das muss mal gesagt werden.

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12.11.2016 – Zweithanderstklassig: Vogler Quartett und Silver-Garburg Piano Duo

101Zu seiner Angst vor der Kunst der Fuge steht der Konzertgänger spätestens, seit er weiß, dass selbst der hochgelahrte Hans Heinrich Eggebrechts sich als Zuhörer einer Gesamtaufführung dieses Werkes überfordert fühlte (Bachs Kunst der Fuge, Seite 126). Und seit er 2014 ebendies, eine Gesamtaufführung, durch den Pianisten Jewgeni Korolojow im Kammermusiksaal mit größter Bewunderung und um so geringerem Verständnis gehört hat.

Insofern kommt es ihm entgegen, dass das Vogler Quartett sein Programm im Konzerthaus mit einer überschaubaren Auswahl aus J. S. Bachs Kunst der Fuge eröffnet. Weiterlesen

7.5.2016 – Intim dissonant: Vogler Quartett spielt Haydn, Strawinsky, Beethoven

Mal wieder Zeit für ein Lob des Kleinen Saals: Die Akustik ist dort vielleicht nicht so brillant und ausgewogen wie auf den besten Plätzen im philharmonischen Kammermusiksaal. Aber dort ist eben nur die Hälfte der 1.180 Plätze brauchbar, während man im Kleinen Saal des Konzerthauses auf allen 400 Plätzen ordentlich hört. Und vor allem: intim.

Da glättet und schönt sich keine unsaubere Intonation, aber von ungehobelter emotionaler Vehemenz geht auch keine Schramme verloren: Ein Leidensschrei bleibt ein Leidensschrei. In Beethovens Streichquartett Es-Dur op. 74, das wegen ein paar Pizzicati im Kopfsatz den läppischen Beinamen Harfenquartett nicht los wird, spürt man intensiv eine gewisse Gewalt und leidet in der keineswegs beschaulichen Einleitung des ersten Satzes bei jenen Notrufen mit, die ein Uraufführungsrezensent 1811 als unnötigen Wirrwarr harter Dissonanzen bezeichnete. Das Vogler Quartett (dessen beide Geiger nicht nach Papier, sondern vom Tablet spielen) poliert wie gewohnt nichts, sondern kehrt das Unnötige, Wirrwarrige, Harte, Dissonante hervor, auf dass das Makellose umso heller leuchte: hart an der Grenze der schönen Kunst, wie der Rezensent von 1811 schrieb, mit durchaus richtigem Gespür (auch wenn er das Ganze als Folter empfand). Das Scherzo, in dem das dadada-dam der Fünften sich in einen 3/4-Takt verirrt hat, reißt ebenso mit wie der finale Variationensatz, der in einen beeindruckenden Schlussspurt mündet; das Fotofinish sieht die Musiker im selben Moment die Ziellinie überqueren, den Cellisten Stephan Forck vielleicht am elegantesten.

Warum dieses Quartett im Vergleich zu den vorhergehenden Rasumowsky-Quartetten als leicht, ja beschaulich gilt, fragt man sich angehörs dieser intensiven Interpretation. Am schönheits- und spannungsgeladenen Schluss des Adagio ma non troppo bewundert man zudem, wie die vier Musiker im Ansturm eines unnötigen Wirrwarrs hustender Dissonanzen (als wäre November, nicht Mai) ihre Konzentration bewahren. Der Konzertgänger hätte zurückgebellt; aber er ist ja zum Glück kein Musiker, nur Hörer.

Und bei jedem Beethoven-Streichquartett, das er hört, denkt er unweigerlich: Das ist wirklich ein besonders aufwühlendes! Bei jedem Haydn-Quartett denkt er hingegen: Das ist wirklich ein besonders originelles! So auch bei Joseph Haydns Streichquartett G-Dur op. 77, 1 (Hob III: 81), das das Konzert eröffnet.

Es wäre interessant gewesen, wie viele Hörer wohl bemerkt hätten, dass es sich nicht um das B-Dur-Quartett op. 71, 1 handelt; aber der Primarius Tim Vogler macht freundlicherweise schon vorher auf den Fehler im Programmheft aufmerksam. Elegant und gutgelaunt, aber mit einem für Haydn ungewohnt intensiven, ja romantischen Adagio, in dem das eindringliche Thema in breitem Unisono beginnt und dann durch die Stimmen wandert. Der dynamische dritte und vierte Satz hätten auch dem Sohn des Konzertgängers gefallen, der gleichwohl lieber zuhause geblieben ist, weil er sich mit neun Jahren innerlich noch nicht bereit für Streichquartette fühlt.

Am meisten hätte er sich aber zweifellos über die größte Überraschung gefreut, die in der Mitte des Programms steht: Igor Strawinskys wunderbar schräge Drei Stücke für Streichquartett von 1915. Bessere Anwälte dieses bedauerlich unbekannten Werks könnte man sich nicht wünschen. Das Quartett spielt nämlich nicht nur engagiert, sondern gibt zuvor eine sehr nützliche ausführliche Einführung: informativ, aber nicht bevormundend. Die Musiker spielen die verschiedenen Stimmen an und schlagen assoziative Bilder vor, aus denen der Hörer dann die aussuchen kann, die seinem Ohr frommen – wenn er will, auch alle: Dann hört er im ersten Stück einen an der ratternden Druckmaschine tanzenden Bauern, über dem eine wackelkontaktige Glühbirne sirrt, während in seinem Rücken ein wütender Hund bellt. Aus einer ganz anderen Sphäre klingt das dritte Stück herüber, mystisches Murmeln, in dem die Zeit aufgehoben scheint. Dies irae und Kyrie eleison gewinnen flüchtige Kontur. Die kaum, dann gar nicht mehr zu hörende Bratsche am Schluss dieses Stückes wird zum Höhepunkt des Abends.

Zugabe, vom Publikum durch unangenehm rhythmisches Klatschen erbeten: der vibratoreich gespielte 9. Kontrapunkt aus Bachs Kunst der Fuge, Vorgeschmack auf das nächste Konzert des Vogler Quartetts am 12. November.

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13.2.2016 – Serioso: Vogler-Quartett feat. Taner Akyol

Das Streichquartett ist untoter denn je. Es gibt eine Menge großartiger Nachwuchs-Ensembles; das Publikum wird nicht kleiner, höchstens feiner; das langjährig eingespielte Mandelring-Quartett zieht Hörer in Scharen mit kompromisslosem Mendelssohn non-stop an (und  beginnt nächste Woche seinen neuen Berlin-Zyklus).

Das seit über 30 Jahren erprobte Vogler-Quartett hat ein treues Publikum, das bei seinen regelmäßigen Auftritten im Konzerthaus den Kleinen (aber feinen) Saal zuverlässig füllt. Die Musiker belohnen es, indem sie die Standardwerke des Repertoires immer wieder mit überraschenden, verblüffenden, auch irritierenden Novitäten kombinieren und interessante Gäste einladen: etwa den Kompon-/Klarinettisten Jörg Widmann oder den Paradiesvogler Moritz Eggert.

Wenn diesmal der 1977 geborene Taner Akyol sich mit seiner Bağlama zum klassischen Streichquartett dazugesellt, gehen in Hatirlamalar (Erinnerungen) türkische Melismatik und die A- und Mikrotonalität der Neuen Musik die organischste Verbindung ein; wunderbar, wie am Schluss die Zupf- und Klopfwellen quer durch die Instrumente laufen. Aber das musikalische Potenzial der Bağlama hat sich bereits bis zu Jugend musiziert herumgesprochen.

Die zweite Akyol-Komposition an diesem Abend ist für Streichquartett pur geschrieben. So leid es einem tut, nicht noch mehr Bağlama zu hören, beweist die Uraufführung von Berkin eindrücklich, dass Akyol viel mehr ist als „nur“ ein Virtuose auf seinem Instrument. Das liegt nicht nur am erschütternden Hintergrund des Stückes, das Akyol dem 15jährigen Berkin Elvan gewidmet hat, der am Rand der Gezi-Proteste durch ein Tränengasgeschoss der türkischen Polizei getötet wurde. In Akyols Berkin spricht unverkennbar das Vokabular der Neuen Musik, aber im Dienst höchster Ausdrucksintensität und mit einem vollen Sound, der im besten Sinn folkloristisch wirkt. Vor dem rasend bewegten Schlussabschnitt, in dem Verzweiflung und Hoffnung aufeinander prallen, gibt es eine lange, in immer höhere Regionen steigende elegische Passage, die fast an Samuel Barbers Adagio for Strings erinnert. Will sagen: Akyol komponiert auf eine Weise, die direkt zum Hörer spricht.

Akyol ist in Berlin u.a. mit seinem gleichnamigen Trio und mit der Kinderoper Ali Baba und die 40 Räuber an der Komischen Oper zu erleben. Ganz nebensächlich hingegen die Tatsache, auf die die Frau des Konzertgängers aufmerksam macht: „Neben diesem feschen Türken seht ihr Deutschen aus wie Kartoffeln.“

Eins wäre aber zu verbessern: Die interessante Einführung, die Tim Vogler gibt und in der Akyol eine Dur-Tonleiter anatolischen nichttemperierten Modellen gegenüberstellt, etwa der Hüseyin-Skala, ist zumal von den hinteren Plätzen akustisch kaum zu verstehen.

Die beiden Streichquartett-Klassiker, die Akyols ausdrucksstarke Musik an diesem Abend sehr durchdacht rahmen, gehören zu den intensivsten Vertretern ihrer Gattung: In Beethovens äußerst verknapptem Streichquartett f-Moll op. 95 (1810), dem Quartetto serioso, prallen schon in den ersten 10 Sekunden die gegensätzlichsten Emotionen aufeinander, stürmische Bewegung einerseits, hoffnungslos sich entgegenwerfende Schönheit andererseits. Genau das richtige Stück also für das Vogler-Quartett, bei dem konzentrierte Expressivität immer über geschmeidigem Wohlklang steht. Der fahle Septakkord zwischen Allegretto und Scherzo verschlägt einem den Atem ebenso wie die ausdrucksstarke Einleitung zum Finale. Schade nur, dass während des Trios eine Dame mit klackernden Absätzen den Saal umrundet – ein akustisches Inferno, wie der Konzertgänger es von zuhause kennt, wenn die Tochter in Mamas guten Stiefeln feine Dame spielt; aber dort stört es nur die Nachbarn, nicht Beethoven. Nicht störend, sondern geradezu bizarr ist die Coda dieses Quartetts: Auch wenn man bei Beethoven nun wirklich manches ad aspera ad astra kennt, klingt dieser jubelnde Dur-Schluss wie angeklebt.

Auch in Bedřich Smetanas 1. Streichquartett e.Moll ‚Aus meinem Leben‘ entsteht die Musik aus kleinen, hochexpressiven Gesten, aber was herauskommt, ist keine aphoristische Verdichtung, sondern epische Breite. Es ist eins der erschütterndsten und unterhaltsamsten Quartette zugleich. In der Polka schrummeln die Voglers mit stoischer Präzision, und dem Konzertgänger ist trotz Fastenzeit, als hätte er schon zehn tschechische Biere intus und es gäbe keine Zeit mehr. Doch im Schlusssatz erklingt unabwendbar die Katastrophe, das viergestrichene Tinnitus-E der ersten Geige; und auf heftigem Tremologrund wirbeln die Erinnerungen an Leben, Lust und Liebe der vorderen Sätze verzweifelt dem Untergang entgegen.

Als Zugabe reißt Erwin Schulhoffs grandiose Tarantella das Publikum von den Sitzen. Am 7. Mai sieht man sich wieder im Kleinen, aber feinen Saal des Konzerthauses.

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7.11.2015 – Wesentlich: Vogler Quartett spielt Mendelssohn, Grigori Frid und Beethoven

Binsenweisheit, dass jeder ein Stück anders hört. Aber manchmal, in besonderen Situationen, bringt ein Hörer ins Konzert etwas ganz Eigenes mit, was im Stück nicht angelegt ist, aber die Musik doch irgendwie hergeben muss. So geht es dem Konzertgänger im Kleinen Saal des Konzerthauses mit dem langsamen Schluss von Felix Mendelssohn Bartholdys Streichquartett a-Moll op. 13, wo er hörend die dritte Strophe eines kürzlich gehörten Kirchenliedes assoziiert: Dass unsre Sinnen wir noch brauchen können / und Händ und Füße, Zung und Lippen regen, / das haben wir zu danken seinem Segen.

Bei einem Werk des Komponisten der Reformationssymphonie sich an einen Text von Paul Gerhardt zu erinnern, kann nicht ganz falsch sein, auch wenn atmosphärisch kaum Gemeinsamkeiten bestehen (und erst recht nicht musikalisch zu Johann Crügers Vertonung). Das Werk des 18jährigen Mendelssohn, geschrieben 1827 kurz nach Beethovens Tod, ist kein kammermusikalisches Morgenlied, sondern ein stürmisch bewegtes Stück, das mit einer fast identischen Adagio-Passage beginnt und endet; dieser Rahmen ist es, der aus einem hochbegabten Frühwerk tiefberührende Musik macht. Wie exzellent gearbeitet die einzelnen Sätze sind, wird deutlich, als das Vogler Quartett am Schluss des Konzerts den rhythmisch prägnanten dritten Satz als Zugabe wiederholt. (Es sollten öfter Stücke in einem Konzert zweimal gespielt werden, es ist fast immer ein Gewinn für den Hörer.)

Featured imageEine Beethoven-Hommage ganz anderer Art ist das Streichquartett op. 70, das der 2012 verstorbene Grigori Frid 1977 im Gedenken an den 150. Todestag komponierte. In Deutschland ist Frid fast unbekannt, höchstens seine Kammeroper nach dem Tagebuch der Anne Frank bildet eine Ausnahme. In dem Streichquartett, das erst vor wenigen Wochen beim Hamburger Kammermusikfest seine deutsche Uraufführung erlebt hat, geht Frid von vier Beethoven-Motiven aus (aus zwei Rasumowsky-Quartetten sowie den späten Quartetten op. 131 und 132). Was man hört, hat aber nichts mit akademischer Erbsenkomponiererei zu tun, sondern ist eine erstaunlich einheitliche, ziemlich düstere Klangvision irgendwo zwischen spätem Schostakowitsch und junger Gubaidulina. Dass ein Streichquartett momentweise wie ein großes Orchester klingen kann, weiß der Kammermusikfreund natürlich. Bei Frid lernt er, dass es auch klingen kann wie ein großes Orchester, das Cluster spielt: erstaunlich, dass vier Streicher so viele Töne gleichzeitig hervorbringen können. Man bekommt Lust, mehr von Frid kennenzulernen; und fragt sich, wie viele große Unbekannte (man denke an Mieczysław Weinberg) die Wundertüte russisch-sowjetische Musik noch verbirgt.

Das seit 30 Jahren bestehende Vogler Quartett, für die Frau des Konzertgängers deutsch und protestantisch bis ins Mark, spielt Mendelssohn wie Frid auf seine spezifische Art, für die der Janowski-Slogan gelten könnte: Das Wesentliche ist die Musik. Ohne Effekthascherei, in vollkommenem Zusammenspiel, dem jener hochpolierte Glanz abgeht, der perfekt, aber leblos wirkt. Für die Wahrheit des Ausdrucks werden auch mal Unsauberkeiten in der Tongebung in Kauf genommen, was nichts mit Schlamperei zu tun hat; im Gegenteil, Hochglanz ist Schlamperei.

Zum Verzicht auf glattpoliertes Musizieren gehört auch der Verzicht auf die plakative Darstellung von Zerrissenheit, die beim späten Beethoven zur Pose geraten kann. Das Streichquartett Es-Dur op. 127 von Ludwig van Beethoven, auf den Mendelssohn wie Frid sich so grundverschieden wie gleichermaßen ehrfürchtig beziehen, stellt natürlich alles Vorhergehende in den Schatten. Es ist klassizistisch und avantgardistisch zugleich. Höhepunkt des Konzerts ist die atemberaubende Pause im zweiten Satz, nach der man wirklich jenseitige Musik zu hören glaubt (in die ein Grobian, der in keiner Weise zu spüren scheint, wo wir uns hier befinden, herzhaft hineinhustet).

Ein erfreulich gutbesuchtes, hochkonzentriertes Konzert, das der Hörer mit dem Bewusstsein verlässt, Wesentliches gehört zu haben.

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Vogler Quartett

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10.10.2015 – Paradiesisch: Vogler-Quartett und Gäste spielen Haydn, Beethoven, Eggert

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Nach einem Tag voller unangenehmer Erlebnisse am Abend das Sonnenaufgangsquartett: reines Glück. Alltäglicher wie existenzieller Ärger verpuffen, wenn sich zu Beginn die Geigenmelodie über einer ruhigen Klangfläche erhebt, und beim großen B-Dur-Fortissimo durchflutet bereits pure Freude den Konzertgänger – zu einem Zeitpunkt, als Joseph Haydns Streichquartett op. 76, Nr. 4 B-Dur erst ein paar Takte alt ist. Das choralartige Adagio ist einer der berührendsten langsamen Sätze von Haydn, das Quartett stammt von 1797, es klingt manchmal schon nach romantischen Gefühlssphären.

Dabei musiziert das Vogler-Quartett völlig unsentimental. Tim Vogler hat das Gegenteil eines überpolierten Tons, er spielt manchmal rauh, aber immer bewegt, lebendig und in perfekter Koordination mit seinen Kollegen. Man hört und sieht die Erfahrung dieses Quartetts, das seit 30 Jahren in dieser Besetzung musiziert: vier brillentragende Herren mittleren Alters, von denen die mild migrationshintergründige Frau des Konzertgängers sagt, sie sähen so deutsch und protestantisch aus, dass es knallt. Aus ihrem Mund ist das ein Kompliment.

Die weibliche Note bringt dann die junge britische Schlagzeugerin Sabrina Ma auf die Bühne. In Moritz Eggerts Stücken Croatoan I-III, die sich eher assoziativ als konkret auf das mysteriöse Verschwinden einer amerikanischen Siedlerkolonie im 16. Jahrhundert beziehen (mehr dazu hier), gesellen sich nacheinander ein Glockenspiel, ein breites Percussion-Arsenal und eine Große Trommel zum Streichquartett. Die flächigen tonalen Klänge in Croatoan I – Englische Stimmen, hinter denen Glöckchensterne funkeln, verbinden sich im Ohr des Hörers mit dem Beginn des Sonnenaufgangsquartetts. In Croatoan II – Im Sandkasten verschwindet Ma hinter ihrem riesigen Notenblatt, aber man sieht zum Glück ihre Hände, die sich zwischen Bongos, Tambourin, Klingel, einer Ratsche und noch viel mehr bewegen. Auch die Streicher stampfen, scharren, klopfen und bimmeln schließlich mit Glöckchen, die an den Notenständern hängen. Den vier seriösen Herren scheint es wie dem Publikum zu gehen: Erst kostet es etwas Überwindung, dann bereit es große Freude. Schließlich die volle Dröhnung, als in Croatoan III – Perpetuum mobile die Große Trommel den Kleinen Saal des Konzerthauses erbeben lässt, Fasolt-Fafner-Stampfen mit Phasenverschiebung, mitunter auch leise Töne.

Nach der Pause gehört das Podium Moritz Eggert, der so extrovertiert auftritt wie seine Musik klingt. Seine eigene Komposition Hämmerklavier XXV: Abweichung (Hommage à Beethoven) rauscht angenehm, aber etwas undringlich am Publikum vorbei. In Ludwig van Beethovens frühem Klavierquartett Es-Dur op. 16 übernimmt er dann den Klavierpart. Zunächst runzelt man die Stirn über den grimassierenden Paradiesvogler am Klavier, aber man lässt sich schnell überzeugen, dass Eggert ein erstklassiger Pianist ist: Beethovens Witze klingen witzig, die Läufe fetzen. Im zweiten Satz, dem Andante cantabile, trägt er die Streicher auf sanften Flügeln. Eine gelungenes Zusammenspiel, die den drei grundseriösen Herren vom Vogler-Quartett das Extraquäntchen Lockerheit gibt. Und den Hörern Lust auf die nächsten Termine mit dem deutschen, protestantischen, paradiesischen Vogler-Quartett macht.

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Webseite des Vogler-Quartetts

Moritz Eggert und sein Bad Blog of Muzick

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