Schmutzglänzend

Premiere von Glucks „Orfeo ed Euridice“ an der Komischen Oper

Vom ganzen Schmutz zugleich und Glanz meiner Seele schrieb Kleist in einem Brief (woraus doitsche Philologen früher Schmerz machten, weil in doitscher Klassikerseele bekanntlich Schmerz sein darf, aber kein Schmutz). Den ganzen Schmutz und Glanz der orphischen Seele und der orphisch-euridicischen Liebe kehrt die neue Inszenierung von Christoph Willibald Glucks Orfeo ed Euridice an der Komischen Oper hervor, eine würdige Nachfolgerin der legendären k+k-Fassung (Kupfer + Kowalski) an diesem Haus. Aus schwarzen Müllhülltüten werden sich hier unter dem herz- und schmutzerweichenden placatevi con me des sängerischen Zentralgestirns Carlo Vistoli hospitalisierte Glanzseelen herausschälen, zupfen, reißen.

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Maeterlinck-Doppel: „Pelléas et Mélisande“ an der Komischen und „L’Invisible“ an der Deutschen Oper

Schöne Gelegenheit, zweimal Opern nach Maurice Maeterlinck zu sehen und zu hören: Samstag Pelléas et Mélisande an der Komischen Oper, Sonntag L’Invisible an der Deutschen Oper.

Zwei Wochen nach der Uraufführung von Aribert Reimanns neuer Oper (ausführliche Premierenkritik) ist der Saal der Deutschen Oper doch eher kammermusikalisch besetzt, zumindest im Rang. Trauriger Berliner Gleichmut gegenüber einer herausragenden Neuigkeit. Aber Reimann ist wieder da, diesmal sitzt er im ersten Rang! Weiterlesen

Also sang „Zoroastre“: Rameau an der Komischen Oper

Wetten, dass das die lustigste Premiere der Saison ist? Jean-Philippe Rameaus Oper Zoroastre 261 Jahre nach ihrer Entstehung erstmals überhaupt in Berlin, ausgerechnet an der Komischen Oper.

ClavisArtis.MS.Verginelli-Rota.V1.003rDass man en passant erfährt, dass Sarastro von Zoroaster (alias Zarathustra) kommt, ist nur ein willkommener Nebeneffekt. Oder hat das die ganze Welt schon immer gewusst, nur der Konzertgänger nicht? Insofern passt Zoroastre wie der Tofu-Fisch aufs E-Bike zur Zauberflöte, mit der die Komische Oper gerade in Moskau war.

Auch Rameaus Librettist Louis de Cahusac war ein Freimaurer, und auch Zoroastre handelt vom Kampf des Lichts gegen die Dunkelheit, des Tags wider die Nacht. Wie der Regisseur Tobias Kratzer die verworrene Auseinandersetzung zwischen Weiß und Schwarz auf die Bühne bringt, ist nicht weniger als: saukomisch. Wie er aber Weiß und Schwarz dann in ein grelles Grau vermengt: saugut. Weiterlesen

15.10.2016 – Liebesangelnd: Wiederaufnahme von Dvořáks „Rusalka“ an der Komischen Oper

poster_for_the_premiere_of_rusalka_in_prague_31_march_1901Trotz (Binnen-)Seejungfrau, Prinz und Genrebezeichnung Lyrisches Märchen sollte man seine Tochter im Grundschulalter eher nicht zu Rusalka mitnehmen. Antonín Dvořáks krasse Mischung aus Tragödie, Passion und Horrorfilm könnte in ihrer zarten Seele einen Schreck bis ans Ende aller Tage hervorrufen. Andererseits gibt es ja nützliche Dinge, die man im Leben nicht früh genug lernen kann: äußerste Liebesverzweiflung etwa und innigste Todessehnsucht. Außerdem endet Barrie Koskys Inszenierung der Rusalka von 2011, die jetzt an der Komischen Oper wiederaufgenommen wurde und bis Weihnachten noch fünfmal zu sehen ist, in einem Schlussbild, das sich auf Lebzeit in die Seele einbrennt. Wie die verfluchte Nixe sich selbst den Angelhaken des Geliebten, den sie getötet hat, in den Mund legt, wird kein Zuschauer je vergessen. Weiterlesen