Schöne Gelegenheit, zweimal Opern nach Maurice Maeterlinck zu sehen und zu hören: Samstag Pelléas et Mélisande an der Komischen Oper, Sonntag L’Invisible an der Deutschen Oper.
Zwei Wochen nach der Uraufführung von Aribert Reimanns neuer Oper (ausführliche Premierenkritik) ist der Saal der Deutschen Oper doch eher kammermusikalisch besetzt, zumindest im Rang. Trauriger Berliner Gleichmut gegenüber einer herausragenden Neuigkeit. Aber Reimann ist wieder da, diesmal sitzt er im ersten Rang!
Je einmal Muttersterben, Tochtersuizid und Kindsmord in 90 Minuten ist zugegeben nicht zu knapp dosiert. Die Inszenierung ruft beim Konzertgänger diesmal gemischtere Gefühle hervor als beim ersten Mal. Hat die finale Zurschaustellung von fünf Kinderleichen in ihrer Wörtlichkeit nicht etwas skandalös Leichtfertiges?
Für Reimanns Werk gilt das gewiss nicht. Der klangliche Reichtum, den das Orchester hervorbringt, ist beim zweiten Hören (und aus dem Rang statt Parkett) noch überwältigender. Und die sängerischen Leistungen, allen voran Rachel Harnischs, sind grandios.
Im direkten Vergleich mit Debussys vortags gehörtem Klassiker fällt umso stärker auf, wie geschickt und radikal Reimann seine Textvorlage verknappt und verdichtet. In dieser Hinsicht wurde er ja verschiedentlich mit Janáček verglichen. Am 25. und 31. Oktober gibts L’Invisible noch.
Ist es ein ketzerischer Eindruck, dass das Libretto von Claude Debussys Pelléas et Mélisande sich in seinem Endlossalbader ums eigene Geheimnis zu reden droht? Vielleicht trägt aber Barrie Koskys neue Inszenierung an der Komischen Oper mehr zu diesem ernüchternden Eindruck bei als das Stück selbst.
Denn Kosky verengt nicht nur die Bühne mit mehreren rechteckigen Rahmen (Bühnenbild Klaus Grünberg) derart, dass die Sichtbehinderung auf den billigen Plätzen komplett neutralisiert wird. Das ist sozial gerecht, gleiche Enge für alle. Aber es ist auch eine Reizunterflutung, die keine symbolischen Assoziationsräume öffnet.
Vor allem jedoch verengt er auch das Stück auf ein psychodramatisches Kammerspiel, indem er Leidenschaft und Eifersucht fokussiert. Dem Tagesspiegel hat gerade das gefallen, aber für den Konzertgänger ist es doch eine schmerzliche Verarmung.
Wird doch nicht alles zu Gold, was Kosky anfasst. Vor allem wird man nicht recht klug daraus, warum Kosky diese Oper anfasst.
Das Orchester unter Jordan de Souza ist gut disponiert, ziemlich dramatisch, mit Schlagseite zur veristischen Schmonzette. Das bringt Schärfe und Pep rein, raubt aber Farbe und Geheimnis. Besucher aus dem Parkett berichten zudem, dass de Souza lauthals mitsinge; was der Konzertgänger aus dem zweiten Rang weder bestätigen noch dementieren kann.
Dramatische Höchststufe auch bei der Mélisande von Nadja Mchantaf, die hier weniger Gefangene und Getriebene ist als Fesselnde und Treibende: femme fatale statt femme fragile. Zudem im permanenten Kleidertauschrausch und sexuell aktiver und aktivierender als andere Melisanden; da wird sogar Uropa Arkel von Allemonde zum Harvey Weinstein. Ob das alles so recht passt? Nicht gerade subtile, aber packende Bühnenpräsenz.
Sängerisch ist das sonst eine gute Ensembleleistung, unter den Männern ragt Günter Papendells Golaud mit berstender Aggressivität hervor.
Pelléas et Mélisande gibts noch sechsmal in dieser Saison.
Ich habe die Oper am 17.11.17 gehört, kannte sie nicht und war begeistert. Gerade die Kargheit der Bühne ließ mir viel Assoziationsspielraum. Alle Mitwirkenden waren gut aufgelegt und boten eine aufwühlende Inszenierung. Was ich noch nicht erlebt habe: es wurde bei den wenigen sich bietenden Gelegenheiten überhaupt nicht gehustet, so groß war die Anspannung des Publikums.
Pelléas hustenfrei zu halten, ist in der Tat eine Leistung. Ja, die Aufführung/Inszenierung hatte Zug, musikalisch fehlte mir allerdings Subtilität. Was den Bühnenraum angeht, war ich hin und hergerissen.
Es gab vor längerem großartige Pelleas-Inszenierungen an der Staatsoper und der Deutschen Oper, mal sehen, ob da mal was wiederkommt.
Stimmt,Ränge waren schwach besetzt, aber immerhin das Parkett war recht voll.
Aber verwundern tut mich es nicht, aber trotzdem schade
Naja, sehen wir es als halbvolles Glas, nicht als halbleeres!