Sektenbeleuchtend

Zwei Orchesterkonzerte eröffnen das Ultraschall-Festival

Eine Sache für „Sekten“: So wurden Festivals für Gegenwartsmusik kürzlich von Jelena Firssowa genannt, der aktuellen Komponistin in Residence des Rundfunk-Sinfonieorchesters. Sie habe ihre Werke lieber in Gesellschaft von Berlioz und Tschaikowsky! Das sagte Firssowa, kurz bevor ihr Garten der Träume vom RSB (auch adäquat) gemeinsam mit Schumann und Schostakowitsch gespielt wurde. Freilich, welcher lebende Komponist wäre nicht lieber gemeinsam mit Beethoven und Brahms unterwegs statt mit, sagen wir, Klangzupfler Kunz und Plingponistin Musterfrau?

(Neue-Musik-Festival, wie seine Verächter es sehen)
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Liebesverwesend: Luca Francesconis „Quartett“ an der Staatsoper Berlin

Phallussymbol, verwesend

Alljährliche Aufführung eines zeitgenössischen Werks an der Staatsoper Unter den Linden – wo das Publikum schon vor Corona Abstand hielt und wo der vereinzelte Kenner sich bereits keinen Crémant leisten konnte, als die Bar noch geöffnet war. Mit Vereinzelung hat auch (wieder mal und natürlich, möchte man fast sagen) Luca Francesconis 2011 uraufgeführte Oper Quartett zu tun, deren zweite Vorstellung ich besuche. Denn nirgends ist der Mensch so vereinzelt wie in der Folgeaufführung eines Neue-Musik-Stücks nach der Premiere sowie im Auf und Ab des Liebesbegehrens.

Eine halbe Erdkugel aus Beton füllt die Bühne, eine Mischung aus Todesstern und Hodscha-Bunker; oder auch ein riesiger abgespielter Fußball (Bühne Barbara Hanicka). Endlich erfährt man mal, wie es im Inneren so eines abgespielten Balls aussieht: sehr trostlos, momentweise nicht unerotisch, aber viertelstundenweise langweilig.

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Kratzfeeallürig: Il Giardino Armonico verkuppelt Vivaldi mit dem dreckigen Halbdutzend

Have a new look at Vivaldi!

Nicht lang ists her (für manch einen noch gar nicht), da galt Vivaldi als die Steigerung von Telemann: öd, öder, Antonio. Wie konnte das passieren, da noch dem frühen Musikhistoriker John Hawkins Wildheit und Ungezwungenheit als Kennzeichen Vivaldis galten? In der lesenswerten Novelle Barockkonzert des kubanischen Schriftstellers Alejo Carpentier erlebt ein mexikanischer Reisender im venezianischen Ospedale della Pietà eine elektrisierende nächtliche Jam Session Vivaldis mit Scarlatti, Händel und einem dunkelhäutigen Diener. Die „moldauisch-österreichisch-schweizerische“ Musikreisende Patricia Kopatchinskaja ist nun on the road mit Giovanni Antoninis Giardino Armonico, der so kompetent wie open minded musikgärtnert: zwecks Vivaldi-Re-Elektrifizierung. Auch wenn Puristen und Muffel argwöhnen, hier würde Vivaldi auf den elektrischen Stuhl gesetzt. Weiterlesen