Hej! Weselmy się!

Für Weihnachtskonzerte gelten eigene Gesetze. Wie voll wäre die Philharmonie bei einem normalen Abokonzert mit Zemlinsky, Pärt, Lutosławski, Honegger und (na gut) Bach? Bei dem originellen Weihnachtskonzert des Rundfunk-Sinfonieorchesters und mehrerer Chöre mit Vladimir Jurowski aber ist sie rappel. Reuelose musikalische Völlerei, mit einigen Prisen Askese, quer durch Europa.

Alexander Zemlinskys 1910 entstandene Vertonung des lebensbegleitenden, allerschönsten Psalms 23 Der Herr ist mein Hirte scheint mit Gebimmel und Harfnerei doch eine ästhetische Verirrung. Aber wie außerordentlich schön bimmelt und harft das RSB! Und die Berliner Singakademie, Laienchor der gehobenen Klasse, macht ihre Sache auch gut. Für den Psalm 121 hat Arvo Pärt einen adäquateren Klang gefunden, Beschränkung auf Streichorchester, der warme Countertenor von Andreas Scholl wiederholt lange immer denselben Ton und wechselt insgesamt viermal von mittel nach hoch und umgekehrt; während Pärts Vaterunser bedenklicher auf dem Kitschgrad balanciert. Weiterlesen

Obskur schön: Ticciati und DSO spielen Berlioz‘ „L’enfance du Christ“

Seltsame bis haarsträubende Rührseligkeit am dritten Advent. Aber haarsträubend nicht zum Wegrennen, sondern zum unbedingt Dableiben: Das Deutsche Symphonie-Orchester spielt unter seinem neuen Chef Robin Ticciati die so obskure wie hörenswerte Weihnachtsschmonzette L’enfance du Christ, die Hector Berlioz zwischen 1850 und 1854 auf verschlungenen Wegen zusammenfrickelte.

Von einer hochdramatischen Herodes-Oper (inklusive judäischem Wahrsager-Hexensabballett) über aufdringlich schlichte Krippenspielbeschaulichkeit bis zur Flucht nach Ägypten reicht die Bandbreite dieser Geistlichen Trilogie, die Berlioz auf einen eigenen, unsäglich scheinenden Text fabrizierte. Interessant, dass der geniale Berlioz nicht nur Homer, Vergil, Goethe und Shakespeare verwurstete, ohne einen Deut von deren sprachlichen Eigenheiten zu bewahren, sondern sogar das Neue Testament schamlos-schön verhunzt hat. Weiterlesen