Blaumüllernd: Musiktheater nach Schubert in der Staatsoper Unter den Linden

Alles Müllerin oder was? Franz Schuberts Zyklus Die schöne M. ist ja in seiner Monomanie auch die Untergangsgeschichte eines Psychoten oder zumindest wahnwitzigen Solipsisten, ihrer partiellen Vervolksliedung zum Trotz. Die Tiroler Musicbanda Franui folklorisiert seit dreißig Jahren das Kunstvolle und verkunstet das Folkloristische. Also könnten sie genau die Richtigen für Schubert sein. Seit einem Franui-Stück vor einigen Jahren in den Sophiensälen habe ich übrigens das Thema von Schumanns Geistervariationen als ewigen Ohrwurm, zugegeben auch etwas gespenstisch, ja psychopathisch … Den psychotischen Zustand des Müllergesellen lässt die Franui-Verbühnung von Schuberts Liederzyklus an der Staatsoper Unter den Linden auch durchaus gelten. Allerdings hebt der Bariton Florian Boesch als gemeinsame Kernthese hervor, dass der durchdrehende Ichling der Schönen Müllerin sich am Ende keineswegs im lieben Bächlein ertränke (was ja irgendwie auch eine eigenartige Vorstellung ist), sondern liebeskummergeheilt und wiedervernunftet aus der ganzen Chose hervorgehe (was wiederum ein bissl ernüchternd positiv ist).

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Doppelmessiast: RSB spielt „El Niño“ von John Adams, DSO „Messiah“ von Händel

Ja is denn heut schon Weihnachten – feinabgestimmte Programmplanung, wo gibts denn sowas? In Berlin sonst kaum, hier lief ja schon mal der Don Giovanni in der Staatsoper und gleichzeitig 600 Meter weiter in der Komischen Oper. Nun aber kann man an einem einzigen Wochenende überschneidungslos zwei wildwuchernde Heilands-Oratorien erleben: am Samstagnachmittag und Sonntagabend Händels Messiah in der Philharmonie, dazwischen am Samstagabend John Adams‘ El Niño im Konzerthaus. Ersteres mit dem Deutschen Symphonie-Orchester und dem RIAS Kammerchor unter Robin Ticciati (mehr dazu unten); letzteres mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester und dem Rundfunkchor unter Vladimir Jurowski. Weiterlesen

Missbräuchlich: Berlioz‘ „La damnation de Faust“ an der Staatsoper Berlin

Wer schaut sich freiwillig ein Pokalfinale an, wenn er zur selben Zeit mit Hector Berlioz zur Hölle fahren kann? O mérikariu! O mévixé! Mérikariba!, wie es (sehr frei nach Goethe) im finalen Pandämonium von La damnation de Faust heißt. Da schunkeln und walzern die höllischen Heerscharen in so trostloser Pracht, dass auch eine Helene Fischer kein Buh befürchten müsste, nur ein anfeuerndes: Has! Has!

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Und dann wird das in der Staatsoper im Schillertheater noch vom genialen Filmregisseur Terry Gilliam inszeniert! Das muss ja was werden!

Wird auch was: nämlich eine gute Gelegenheit fürs Motto prima la musica. Denn musikalisch ists prima. Weiterlesen