Angstkleinlich: Ein Star schießt mit Kanonen auf Satirespatzen

Haarsträubender Vorgang am Konzerthaus Berlin: Offenbar weil der berühmte Geiger Daniel Hope sich über eine Satire (oder auch bloß Allerweltsblödelei) ärgert, wird ein unberühmter Dramaturg gefeuert. Darauf macht der Komponist Moritz Eggert in einem offenen Brief im „Bad Blog“ der neuen musikzeitung aufmerksam.

Daniel Hope scheint keinen Spaß zu verstehen, das hat Arno Lücker am eigenen Leib zu spüren bekommen: Dass der musikalische Vortrag eines Weltstars in Internet-Videos mit bizarrer, offenhörlich falscher Tonspur unterlegt wird, wie es Lücker getan hat, das ist schon zahllosen bekannten Musikern passiert. Beleidigt wird bald mal einer sein. Aber kaum einer dürfte darauf mit einem anwaltlichen Schreiben mit Forderung auf Unterlassung und hoher Strafzahlung reagiert haben. Und erst recht nicht, indem er vom Arbeitgeber des Delinquenten dessen Entlassung verlangt. Genau das scheint aber, Eggert zufolge, hier geschehen zu sein.

Ist es möglich, dass das Konzerthaus so einem Ansinnen willfahrt? So scheint es. Lücker, der seit Jahren die verdienstvolle Reihe 2x hören kuratiert, wurde zum Sommer gefeuert.

Der Konzertgänger hat als Besucher dieser Reihe Arno Lücker öfter erlebt und, wenn auch flüchtig, persönlich kennengelernt. Große Leidenschaft für Musik zeichnet ihn aus und, sagen wir mal, „stetes Bemühen, Staub vom Klassikbetrieb zu pusten“. Und auch manchmal nerviger, gelegentlich derber, aber niemals bösartiger oder hinterhältiger Humor.

Kann man alles mögen oder auch nicht. Aber man fragt sich: Wie kleinlich und übrigens auch ängstlich muss ein berühmter, einflussreicher Musiker sein, um so zu reagieren? Und was treibt das Konzerthaus dazu, einen verdienten Mitarbeiter deshalb zu feuern? Wirklich weil der Weltstar (der seit einiger Zeit dem Haus eng verbunden ist, u.a. mit der Reihe „Hope9pm“) es so wünscht, kann das sein? Wäre es da nicht angebracht, nicht nur dem eigenen Mitarbeiter die rote Linie aufzuzeigen, sondern auch dem beleidigten Weltstar?

Da ist man mal gespannt auf die Sichtweise Daniel Hopes und des Konzerthaus-Intendanten.

Hier gehts zu Eggerts offenem Brief im Bad Blog der nmz.

Nachtrag: Es gibt jetzt Stellungnahmen des Intendanten und von Daniel Hope.

Hier eine andere musikalische Majestätsbeleidigung:

Mehr über den Autor  /  Zum Anfang des Blogs

11 Gedanken zu „Angstkleinlich: Ein Star schießt mit Kanonen auf Satirespatzen

    • Ich weiß nicht, ob der Vergleich nicht zu weit geht. Für einen Erdogan würde ich Hope jetzt nicht halten … Aber auf jeden Fall möchte ich gern wissen, was Hope und das Konzerthaus dazu sagen. Und tragisch bis skandalös, dass so eine Angelegenheit derart eskaliert.

  1. Stimme Herrn Bruder zu, was den Eggert-Artikel anbelangt.
    Lückers Shred war sicherlich keine (!) Hommage an Daniel Hope.
    Dessen Reaktion darauf ist natürlich vollkommen überzogen (und wohl kaum „mittelmäßig“). Auf das Video mit der Vernichtung der existentiellen Grundlage zu reagieren ist desolat.
    Was aber sowohl hier, als auch im Eggert-Artikel untergeht ist, dass es sich eben nicht bloß um einen „musikalischen“ Shred handelte, sondern dass der Shred mit einer Sprechpassage eingeleitet wurde, in welcher Daniel Hope herabwürdigende Aussagen über seine eigenen Genitalien in den Mund gelegt werden. Da kann Mann schon mal empfindlich werden.

    • Guter Hinweis. Ich habe das Video, das nur kurz online stand, nicht gesehen. Die Abmahnung bezieht sich aber m.W. auf den Urheberrechtsverstoß.
      Wäre es gravierender, wenn es um Pimmelwitze geht? Oder gehts um noch was anderes? Ich hoffe, dass wir bald erfahren, was das Konzerthaus so schwerwiegend findet, dass dieser Mitarbeiter aus dem Haus entfernt werden muss.

      • Leider habe ich das Video auch nicht gesehen – daher ist natürlich eine Beurteilung schwierig. Wenn mir als Musiker Obszönitäten in den Mund gelegt werden ist das doch etwas anderes als wenn meine Musik „geshreddert“ wird. Leider entzieht sich ja auch unserer Kenntnis, worauf sich die Abmahnung bezog – Urheberrechtsverstoß erscheint mir unwahrscheinlich, die unterlegte „Shred“-Musik hat ja seltenst eine solche Ähnlichkeit mit dem Original als dass sie von der YouTube – Erkennungssoftware gefunden würde. Um welches Stück handelte es sich denn eigentlich? Der Verdacht liegt nahe: https://www.youtube.com/watch?v=54LgLNpW3KE
        Selbiges Meisterwerk – Zitat Eggert: „im Original brillante und musikalisch hochüberzeugende Wiedergabe einer faszinierenden Komposition“ – HALLO, Herr Eggert? – wurde gerade von der DGG neu aufgenommen: https://www.youtube.com/watch?v=QmV6dyEi430
        Da liegt es doch nahe, dass die Plattenfirma mit dem gelben Label und dem Talent zum Kombinieren umsatzträchtiger Solisten (siehe z.B. Grimaud/Gabetta) um ihren Ruf fürchtete und den Protagonisten zum Handeln aufforderte. Ein Klassiker zum o.a. Thema findet sich übrigens hier (Achtung Satire!!): https://twitter.com/zkm555/status/413081328989396992

  2. Nun, Herr Hope positioniert sich damit genau da, wo er meiner Meinung nach zu verorten ist, nämlich allenfalls im oberen Mittelmaß. Auch die schon fast peinlich anbiedernde Eloge des Herrn Eggert kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Herr Hope eben nicht zu den „Großen“ gehört und dementsprechend kleingeistig reagiert. Abgesehen davon, dass diese „shreds“ mittlerweile sooooooo nen Bart haben – mein Lieblingsvideo ist dieses: https://youtu.be/pTKSPQmu7xc
    Da shreddert sich ein philharmonischer Bratscher nämlich selbst, und zwar vom Feinsten. Humor ist, wenn man trotzdem lacht..

    • Wobei ich in dem Zusammenhang die Frage unwichtig finde, wie man Daniel Hope künstlerisch einschätzt. Und auch, ob das inkriminierte Shredvideo vielleicht der letzte Müll ist. Es geht um diese Machtausübung. Und dass das KH das mitmacht.
      Der Bratschenshred ist prima. Sollte man vielleicht Herrn Hope schicken?

Schreibe einen Kommentar