KURZ UND KRITISCH hieß einst eine Rubrik im Tagesspiegel, die es leider nicht mehr gibt. Da aber k & k immer fein ist, wird der Konzertgänger, wenn er wenig Zeit hat, in Zukunft immer mal KURZ UND KRYPTISCH rezensieren. Heute: Herbert Blomstedt und Yefim Bronfman bei den Berliner Philharmonikern.
Andere Männer Ende achtzig, hinreichende Gesundheit vorausgesetzt, gönnen sich eine vorvorletzte Weltreise oder heiraten nochmal eine Frau um die zwanzig. Herbert Blomstedt aber hat noch einen Klopper von Sinfonie einstudiert, den außerhalb Schwedens kaum jemand spielt. Jetzt hat er Wilhelm Stenhammars 2. Sinfonie g-Moll von 1915 auch, statt des geliebten alljährlichen Bruckner, zu den Berliner Philharmonikern mitgebracht: Es wäre eigentlich nur natürlich, wenn ich als schwedischer Dirigent, der in der Welt tätig ist, diese Musik auch aufführte. Aber ich kam nicht dazu. Mit 87 habe ich dann gedacht: Jetzt oder nie, jetzt muss es passieren!
Und so kann man (nach einem soliden, elegant-entspannten, fast galanten Beethoven-Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur mit dem klaren, unprätentiösen Yefim Bronfman) eine einnehmende erste Bekanntschaft mit Stenhammars dreiviertelstündigem, klassisch viersätzigem Werk schließen: reizvoll in seiner altertümlich scheinenden (dorischen) Harmonik, dabei tänzerisch, ohne Schwelg und Schwulst der mitteleuropäischeren Spätromanto-Großsümpfonik. Natürlich denkt man an Carl Nielsen und Sibelius, aber besser auch wieder nicht, es ist ein ganz eigener Ton.
Mehr zu Stenhammar bei BR Klassik. Hier eine Aufnahme der Stockholmer Philharmoniker unter Stig Westerberg. Wenn man unsinfonischerweise nur einen Satz hören mag, dann vielleicht das klanglich besonders reiche viertelstündige Finale ab 30:40.
Der Konzertgänger hörts mit vorbehaltlosem Interesse, ohne dass es ihn durchgehend aus dem Sitz katapultierte. Gern aber auf ein gelegentliches Wiederhören! Es ist ja ein Verdienst an sich in den philharmonischen Programmen, wo wieder und wieder dieselben Werke gebracht werden. Stenhammars Sinfonie spielen die Berliner Philharmoniker in diesem Programm zum allerersten Mal.
Herbert Blomstedt, der diesen Sommer 92 wird, ist der letzte im Dirigentenmonat der Supersenioren: Zubin Mehta war jüngst da, letzte Woche gabs ein bewegendes Konzert mit Bernard Haitink, und der kregele Roger Norrington war jüngst wieder beim DSO. Blomstedt aber dirigiert ohne Hocker und ist von einer Umsicht und Flinkheit, dass man sich mit großer Zuversicht noch auf einigen alljährlichen Bruckner freut. Im Januar 2020 gibts die Vierte.
Bericht von der zweiten Aufführung am Freitag. Noch eine am Samstag um 19 Uhr.
Kurze Nachfrage: Fanden Sie Y. B. nun gut oder nicht so? Ich war vor einiger Zeit fast vernarrt in ihn (in sein Spiel), aber die Liebe ist etwas abgekühlt, wobei seine außerordentliche Klasse natürlich feststeht.
Die Nachfrage wollte ich gerade vermeiden. Sehr routiniert, schnell wieder vergessen. Seinen Klavierabend vor einigen Wochen im Boulezsaal fand ich enttäuschend, lustlos.