Belesend: Gerhaher singt, Huber spielt Schubert, Wolf, Berg, Rihm

Doppel-Benikolausung in der Philharmonie: Während im Großen Saal Teddy Currentzis (für manchen Traditionalinski eher ein Knecht Ruprecht) das großmahlersche Riesen-Schoko-Likör-Ei in den Stiefel batzt und dabei selbst eingeschworene Rezensissimi wie Krieger überzeugt, kredenzen der Sänger Christian Gerhaher und sein Pianistenpartner Gerold Huber im Kammermusiksaal 24 allerfeinste Preziosen. Edelste, nobelste Gäste sind da: Altbischof Huber etwa, Tabea Zimmermann; Thomas Quasthoff plaudert vor Konzertbeginn mit Max Raabe, der Fahrradfreundlichsten Persönlichkeit 2019. Ja, für solche Gaben hängt man die Seidenstrümpfe seiner Liebsten vor die Tür: 95 Minuten Liedkunst von Franz Schubert, Hugo Wolf, Alban Berg, Wolfgang Rihm. Weiterlesen

Mikrosexy: Vogler Quartett und Gäste spielen Brahms, Haydn, Rihm

Mikrotonale Beziehungskiste (Symbolbild)

Vor dem Entfleuchen in den konzertlosen österlichen Arbeitsurlaub mit der Familie noch irgendwo hingehen, wo’s garantiert gut wird: Da ist das Vogler Quartett eine sichere Bank. Bewährte Qualität, aber nie routiniert.

Schön auch das Konzerthaus an einem Samstagabend, wenn im Großen Saal nix gespielt wird. Auf dem Weg hinauf zum Kleinen Saal magische Atmosphäre wie in einem Badeort nach Ende der Saison. Oben wartet Rihm, eingerahmt von Haydn und Brahms. Vor Konzertbeginn unterhalten sich zwei alte Damen über die ehrenamtliche Deutschnachhilfe für einen Flüchtlingsjungen. Das Publikum hier hat neben aller sonstigen auch Herzensbildung. Weiterlesen

Geheimnisleer: Concertgebouw-Orchester und Daniele Gatti spielen Weber, Rihm, Bruckner

Wie müsste, fragt sich der Konzertgänger, eine Bruckner-Aufführung in der Philharmonie klingen, damit sie nicht in frenetischen Jubel mündet? Um Buhs hervorzurufen oder, vielleicht schlimmer, höfliche Akklamation in der Art akademischen Fingerknöchelklopfens? Man mag sich kaum ausmalen, was da schieflaufen müsste.

Frenetischer Jubel also nach der Aufführung von Anton Bruckners Sinfonie Nr. 9 d-Moll durch das Royal Concertgebouw Orchestra unter seinem neuen Chefdirigenten Daniele Gatti beim Musikfest. Aber warum? Weiterlesen

Wahnsinnig konsequent: Wolfgang Rihms „Jakob Lenz“ an der Staatsoper Berlin

JMRLenz

Der junge Wolfgang Rihm

Letzte Premiere der Staatsoper im Schillertheater, bevor sie wieder zur Staatsoper Unter den Linden wird! Tout Berlin hat sich zu dieser Premieren-Derniere versammelt, fast janz tout zumindest: Peymann, Reimann, Riemann (Claus, Aribert, Katja), Jochen Waltz & Sasha Sandig etc pp. Auf der Bühne und im Graben kein Star-Soufflé, sondern ein gewichtiges Stück neue bzw Neue Musik, wie es die Staatsoper in sympathischer Konsequenz jedes Jahr zum Saisonabschluss premiert: diesmal Wolfgang Rihms Jakob Lenz, Wahnsinns-Kammeroper von 1977/78 frei nach Georg Büchner. Von Andrea Breth erstmals auf die große Bühne gehoben, nach den koproduzierenden Bühnen von Stuttgart und Brüssel jetzt auch in Berlin.

Die Titelpartie ist der Wahnsinn. 13 wilde Sänger stellen den Dichter J.M.R. Lenz dar, der krass der Welt abhanden kommt, und alle 13 sind Georg Nigl: Weiterlesen

11.2.2017 – Ohrend, herzend: Berliner Philharmoniker, Rattle, Kopatchinskaja spielen Ligeti, Rihm, Mahler

mahler_gustav4Diesmal kann kein Nörgler sich beschweren, die Programme der Berliner Philharmoniker wären zu seicht: Hier stellt der großartige, der unsterbliche György Ligeti nicht nur Rihm (und Boulez) in den Schatten, sondern selbst Gustav Mahler, dessen 4. Sinfonie G-Dur nach der Pause natürlich der planmäßige Höhepunkt des Konzerts sein sollte.

Und ist auch keineswegs missglückt. Den ersten Satz gehen die Philharmoniker unter Simon Rattle zwar nicht gerade Bedächtig an, nicht subtil abgründig. Stattdessen heizt der glöckchenklingende Schlitten von Beginn an unter Hochdruck dem Abgrund entgegen. Die gemächliche Bewegung des zweiten Satzes ohne Hast scheint voller sehr giftiger Spitzen, am wärmsten klingt paradoxerweise die um einen Ganzton höhergestimmte Solovioline von Daniel Stabrawa.

Weiterlesen

3.9.2016 – Immersiv: Rihms „Tutuguri“ mit dem BR-Symphonieorchester

Nach dem bezaubernden kammermusikalischen Vorabend mit Isabelle Faust eröffnet das Musikfest Berlin offiziell und gelivestreamt mit einem solchen Klopper von Konzert, dass der Konzertgänger sich schon in der Pause wieder urlaubsreif fühlt – vier Tage nach seiner Rückkehr aus dem montanen Exil.

Auch wenn Wolfgang Rihms Tutuguri (1980-82) einen Angriff aufs Trommelfell (so Rihm im Interview) darstellt, ist es bei aller aggressiven Gigantomanie doch ein höchst pragmatisches und disponentenfreundliches Werk. Weiterlesen