Heißkeuschig: Händels „Theodora“ als Potsdamer Winteroper

Hier gilts dem Frommsinn!

Stupend, was den Homo sapiens aufzuheizen vermag: etwa glühende Märtyter-Schmonzetten. Erst recht, wenns um heiße Märtyrerinnen geht. Eine besonders glühende bietet die diesjährige Potsdamer Winteroper mit Georg Friedrich Händels Theodora von 1750. In der Friedenskirche am Eingang zum Park Sanssouci wird das Oratorium auf den scheinmarmornen Laufsteg geschickt. Und Bewegung ist sinnvoll, auch wenn die Temperaturen an Bord des Kirchenschiffs nicht so arg sind, wie der Name Winteroper verheißt. Vielleicht liegts auch am Glühwein, den man sich, da keine Pause, vor der Tür einschüttet. Wolldecken muss man jedenfalls nicht mitbringen, höchstens bei der Kleiderwahl bedenken, wo in puncto Fröstelschutz des Menschen Achilleszehe liegt. Weiterlesen

1.1.2017 – How strange: Händels „Theodora“ mit RIAS Kammerchor, Akamus, Justin Doyle

Nach dem Jahr 2016 zögert man, leichtfertig zu schreiben: Das Neujahrskonzert des RIAS Kammerchors und der Akademie für Alte Musik habe den Krach der vorangegangenen Nacht aufs Schönste sich verflüchtigen lassen. Denn zum Krach der vergangenen Nacht gehört Istanbul, gehören auch die Echos aus Aleppo, vom Breitscheidplatz, aus Nizza, Brüssel, Orlando…

theodosia_of_tyreTraurigerweise passt es also ganz gut, dass in der Philharmonie am 1. Januar 2017 kein feenleichtes Werk wie im vergangenen Jahr auf dem Programm steht, sondern gewichtige, tragische Musik: Georg Friedrich Händels Oratorium Theodora HWV 68 (1750). Es geht um das Leid der antiochischen Christen, die der römische Statthalter in Syrien zur Verehrung Jupiters und des Kaisers Diokletian zwingen will – und man denkt unweigerlich an die heute verfolgten und vertriebenen Christen im Orient, an die gepeinigten Syrer und auch  an die arglosen Feiernden im Reina, die Homosexuellen im Pulse, die Glühweintrinker auf dem Breitscheidplatz. Und die vielen Flüchtlinge, deren Hoffnung auf ein besseres Leben bei uns oft auf Hass und Häme stößt.

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