Wie ein gleißender Lichtstrahl bricht der Chor herein: From harmony, from heavenly harmony, this universal frame began. Das originalklingende Collegium Vocale Gent, das in der Berliner-Philharmoniker-Reihe Umsungen im Kammermusiksaal auftritt, ist ein Chor von bemerkenswert hellem Klang, selbst die tiefen Männerstimmen haben einen fast kindlichen Charakter; jedenfalls ungeheuer durchhörbar.
Georg Friedrich Händels Ode for St. Cecilia’s Day HWV 76, 1739 als Lückenfüller für zu kurze Programme komponiert (und wie im Programmheft zu lesen großzügig bei Georg Muffat kopiert) , ist ein Werk aus dem ein wenig aus der Mode gekommenen Genre der Cäcilienode, zu dem auch Henry Purcell beigetragen hat. In Händels Ode tritt der Chor erst am Schluss wieder auf. Dazwischen tänzeln, wie es sich in einer Ode an die Heilige der Musik gehört, nacheinander die Instrumente des Orchesters einzeln hervor. Das ist pures Glück, wenn es die Solisten der Akademie für Alte Musik sind: Jan Freiheit am Cello, Andrea Theinert an der Traversflöte, ein ebenfalls vorzüglicher Trompeter, den der Konzertgänger nicht namentlich identifizieren kann der Trompeter Franz Landlinger (danke an Akamus für die Auskunft) und schließlich Robert Nassmacher an der Orgel, dem Instrument der Hl. Cäcilia höchstpersönlich. Die Macht der Musik, zeigt uns Händel, ist vielfältig: Sie kann uns zu zartesten Gefühlen animieren wie zu heftigster Kriegswut anstacheln. In schönster barocker Unbefangenheit lässt Händel zu Cäciliens Gesellschaft auch Orpheus, den biblischen Urmusiker Jubal, Mars und Pan auftreten.
Aber das schönste aller Instrumente ist ohnehin… die menschliche Stimme. Die schwedische Sopranistin Klara Ek ist nicht nur ein Koloraturwunder, sondern führt uns durch alle Freuden und Leiden der menschlichen Seele und rührt uns zutiefst, wenn sie am Schluss unbegleitet von der last and dreadful hour singt. Der kurzfristig eingesprungene Tenor Nicholas Mulroy hat eine sehr bewegliche, in den tiefen Passagen recht leise Stimme; er singt, proklamiert und agitiert überaus textverständlich, so dass kein Hörer den Text mitlesen muss.
Aber die Heilige Cäcilia ist mit gutem Grund eine Frau!
Beide Solisten hören, wenn sie pausieren, mit solch sichtbarer Freude der Musik zu, dass es selbst den verstoffeltsten Hörer anstecken muss.
Die Musiker werden sehr umsichtig angeleitet vom Dirigenten Marcus Creed, der ebenfalls kurzfristig eingesprungen ist. Da offenbar momentan die Seuche umgeht (wie der Konzertgänger auch in der eigenen Familie erlebt), muss man einmal den relativ niedrigen Hustenpegel im Publikum loben. Die Akademie für Alte Musik und die Reihe Umsungen haben offenbar ein kultiviertes, geistig piekfeines Publikum; was etwas ganz anderes ist als die soziale Selbstzufriedenheit, die man beim Publikum der Berliner Philharmoniker mitunter erlebt.
Vor diesem grandiosen Lobpreis der heiligen Tonkunst gibt es die Begräbnismusik für Königin Caroline „The Ways of Zion do mourn“ HWV 264 (1737). Obwohl ebenfalls vorzüglich musiziert, ist es doch ein ziemlich gravitätisches, ja behäbiges Stück. Der flächige Klang mag bei der Beerdigung mit über 100 Beteiligten in Westminster Abbey beeindruckend wuchtig gewirkt haben, in dieser schlanken Form im Kammermusiksaal klingt es doch etwas dünn. Dem Instrumentalpart merkt man das Skizzenhafte an. Dafür hat der Chor aus Gent hier mehr, wenn auch weniger Interessantes, zu singen.
Alles, was man musikalisch in dieser Komposition vermisst, bietet die Cäcilia-Ode dann im Überfluss. Der Chor hat dort wenige, dafür um so hellere Momente. Das grandiose Collegium vocale Gent ist herzlich willkommen wiederzukommen, gern mit einem Programm, in dem es sich selbst stärker in den Mittelpunkt stellt.
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