Weltenfarbig: Kodály, Bartók, Rimsky-Korsakow mit Gilbert Varga und Dezsö Ránki im Konzerthaus

Wenn schon Klassik, dann Oper, ist eigentlich das Motto der Tochter des Konzertgängers, aber für die Scheherazade macht sie eine Ausnahme. Denn diese Sinfonische Suite op. 35 von Nikolai Rimsky-Korsakow ist doch farbenprächtiger, sinnenfroher, kinderphantasiekatapultierender als jedes Musiktheater.

Ja, für die wunderschöne Scheherazade nimmt sie sogar das ausgiebige Vorspiel in Kauf – und nachdem sie es offenen Ohrs angehört hat, beschließt sie, es durchaus gern in Kauf genommen zu haben. Der Dirigent Gilbert Varga (den man nicht erwähnen kann, ohne zu erwähnen, dass er der Sohn von Tibor Varga ist, was doch etwas ungerecht ist) erfindet im Konzerthaus das Rad der Programmgestaltung nicht gerade neu, man könnte sich diesen Ablauf auch in einem Konzert anno 1950 vorstellen: Ouvertüre-oder-Tanzsuite-Dings, Solokonzertbums, Sinfoniedingsbums – der Klassiker schlechthin.

Na und? Weiterlesen

Goldsilbrig: Mendelssohns „Italienische“ und Mahlers „Lied von der Erde“ im Konzerthaus

Es gibt Programme, die kicken den Konzertgänger auf den ersten Blick. Obwohl er auch auf den zweiten und dritten Blick nicht ganz sicher ist, warum. Felix Mendelssohn Bartholdy und Gustav Mahler, das ist so ein Fall. Iván Fischer kombiniert die beiden beim Konzerthausorchester, das man ja schon deshalb mögen muss, weil es sich ohne blöden Bindestrich schreibt. (Daher der ganze folgende Text über die dritte, samstagabendliche Aufführung ohne Bindestriche.)

Warum kickts nun? Weil da Tag und Nacht aufeinandertreffen? Das sonnensüdliche Diesseits der Italienischen Sinfonie  und das schwarzschattene Jenseits des Lieds von der Erde? Felix Yin Mendelssohn und Gustav Yang Mahler? Aufbruch und Abschied überdies, wie Jens Schubbe im Programmheft schreibt, ideales Italien und eigenartiges Chinafantasma. Und beide überaus sanglich. Weiterlesen

Zartnagelnd: Mozarts Es-Dur-Sinfonie und Requiem mit Iván Fischer im Konzerthaus

Was spielt man so vor Mozarts Requiem? Beim Musikfest grundierte der teils vergötterte, teils verspötterte Teddy Currentzis es mit einem mystischen Overkill von Hildegard von Bingen bis Ligeti. Iván Fischer hingegen spiegelt und kontrastiert das Mozart-Requiem beim Konzerthausorchester Berlin mit — nun ja, mit Mozart. Eine helle, federnde Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543 gibts vor der Pause. Höchste Lebensfreude, die durch ihre Momente von plötzlicher Eintrübung nur noch größer wird. Und durchs Bewusstsein, was danach kommen wird: Il Requiem. Weiterlesen

Flüchtig: Konzerthausorchester, Iván Fischer und Gustav Mahler spielen Gustav Mahler

Séance in der Philharmonie! Nicht nur das Konzerthausorchester verirrt sich beim Musikfest an diesen ungewohnten Ort, sondern Gustav Mahlers Geist erscheint höchstpersönlich. Und er findet sich dort schneller zurecht als Dirigent Iván Fischer, den man neulich bei Gardiners Poppea orientierungslos herumsuchen sah, bis das Personal ihn an seinen Platz in Block A führte. Gustav Mahler aber findet ohne Probleme den Steinway-Flügel, der für ihn vor dem wartenden Orchester aufgebaut ist. Weiterlesen

Weh: Konzerthaus-Saisoneröffnung mit Iván Fischer und Cameron Carpenter

Einiges tut weh bei dieser Saisoneröffnung im Konzerthaus Berlin. Zum Glück überwiegt das wohlige Weh.

Aber vor Mahlers Fünfter mit dem Konzerthausorchester gibt es erstmal Cameron Carpenter zu bestaunen, den Organisten, der Patricia Kopatchinskajas Nachfolge als Artist in Residence antritt. Zwangsvorstellung des Konzertgängers: dass bei Johann Sebastian Bach, als er in einer Leipziger Probe vor Ärger seine Perücke herunterriss und darauf herumtrampelte, eine ähnliche Haarbürste zum Vorschein käme wie auf Carpenters Kopf. Weiterlesen

Schlürfend: Saisonschlüsse im Konzerthaus und an der Komischen Oper

So wie der nördliche Mensch im Herbst Sonne schlürft, um den endlosen Winter zu überstehen, schlürft der Konzertgänger im Juli Musik, um die endlose Sommerpause zu überstehen. Zweimal am Wochenende: Die Komische Oper spielte zum Abschluss ihres Neuproduktions-Festivals Mussorgskys Jahrmarkt von Sorotschinzi (mehr dazu unten), und im KONZERTHAUS gabs ein Programm mit Musik und Sonne.

Und, wichtiger als Sonne: Sommernacht. Kein Open-Air-Quatsch, sondern ein schönes spanisch-baskisches Programm des Konzerthausorchesters mit dem spanischen Dirigenten Josep Pons und zwei hinreißenden Sängerinnen. Wobei hinreißend, frei nach Loriot, das künstlerische Gesamtkonzept ist; rein sängerisch hinreißend ist zumindest eine der beiden. Weiterlesen

Verwunschkonzert: Konzerthausorchester und Kitajenko spielen Strawinsky, Tschaikowsky, Schostakowitsch

Alle Berliner Orchester sind schon in den Sommerferien oder auf Überlandtournee, nur das Konzerthausorchester hält noch die Stellung. Nach dem Abschied Patricia Kopatchinskajas (der nur ein halber Abschied ist, nämlich als Artist in Residence) jetzt ein weiterer Abschied: Dmitrij Kitajenko gibt aus Altersgründen sein letztes Konzert als offizieller Erster Gastdirigent des Hauses. Der Slowake Juraj Valčuha, 36 Jahre jünger, wird sein Nachfolger.

Die Altersgründe sieht man Kitajenko nicht an, das Geburtsjahr 1940 bei Wikipedia wirkt wie ein Tippfehler. Im Januar kommt er auch schon zurück, dann als normaler Gastdirigent, wieder mit einem russischen Programm. Also ebenfalls nur ein halber Abschied. Zum Glück. Weiterlesen

Ungewöhnlich: Konzerthausorchester, Venzago, Tabea Zimmermann spielen Michael Jarrell und Schumann

Nichts lieben die Kinder des Konzertgängers an der täglichen LOGO-Sendung mehr als den täglichen Tag des/der soundso: des Eichhörnchens, der Mundhygiene, des Glücks. Sehr passend also das Freitagsprogramm des Konzerthausorchesters zum Tag der ungewöhnlichen Instrumente. Denn was ist schon eine Flammenorgel, ein Trautonium, eine Glasharfe im Vergleich zu einer … Bratsche?

Weiterlesen

Wollend: Patricia Kopatchinskaja & Iván Fischer mit Sibelius & Bartók im Konzerthaus

50dddab938844c06e7b894ab0874dfb9Forderung: Jede Geigenschülerin im Laufe ihres Geigenschülerindaseins mindestens einmal zu Patricia Kopatchinskaja schicken. Nicht weil sie da die sauberste Bogenführung sähe oder hören würde, wie makellose Intonation geht oder süffiges Vibrato oder historisch korrektes Stilbewusstsein. Sondern weil sie da die Frage vor den Latz geknallt kriegte: Was ist dein Stil? Was willst du von der Musik?

Mit Jean Sibelius‘ Violinkonzert d-Moll op. 47 verabschiedet sich PatKop von der hochoffiziösen Würde als Staatsviolinistin-in-residencia des Konzerthauses. Da weht einen teils ein eisiger Wind an, so ungewohnt klingt das alles. Weiterlesen

Spektakulös: Konzerthausorchester, Iván Fischer, Kit Armstrong spielen Kagel, Zimmermann, Beethoven

Iván Fischer-Programme können auf skurrile Weise spektakulär sein. Rund ums angeblich langweiligste der Klavierkonzerte Beethovens strickt er das originellste Programm, das in der zyklischen Aufführung aller fünfe im Konzerthaus zu hören ist: vorneweg Kagel, hintendran Bernd Alois Zimmermann.

Mustering-Chelsea-pensioners-c.-1785.jpg Weiterlesen

Drei von fünf: Helmchen, Piemontesi, Paul Lewis spielen Beethoven mit dem Konzerthausorchester

Was für ein Luxus im Konzerthaus: Fünf Pianisten spielen die fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven, alles zu Ehren Alfred Brendels.

beethoven-dossier-sz-beethoven-am-klavier-100~_h-558_v-img__16__9__xl_w-994_-e1d284d92729d9396a907e303225e0f2d9fa53b4

Bevor nächste Woche Kit Armstrong und Till Fellner kommen, traten Martin Helmchen, Francesco Piemontesi und Paul Lewis auf. Drei feinsinnige Pianisten, die man nicht gerade mit Leistungssport-Klavier und Prokofjewgehämmer verbindet, an drei Abenden hintereinander, alle mit dem Konzerthausorchester unter Jan Willem de Vriend. Kombiniert jeweils mit Ferdinand Ries und Franz Schubert (mehr dazu ganz unten). Weiterlesen

12.2.2017 – Nordfeurig: Konzerthausorchester, Schønwandt, Ibramigova, Mönkemeyer spielen Mozart, Sibelius, Niels Gade

Niels Gade? Von dem kennt man doch nur das Nordische Lied. Und das ist von Schumann. Als Gruß an G, in Form des G-A-D-E-Motivs:

Dass Gade (1817-1890), Vater der dänischen Romantik, kaum gespielt wird, versteht man um so weniger, wenn er doch mal gespielt wird. Allein dafür gebührt dem Konzerthausorchester der Goldene Lorbeer – oder das Goldene Smørrebrød. Weiterlesen

13.11.2013 – Geisterstimmig (2): PatKop encore im Konzerthaus

V0036040 A boy appearing to two girls as a ghost. Stipple engraving.

Der Vollständigkeit halber: Zweite Aufführung des Programms des Konzerthausorchesters mit Iván Fischer und Patricia Kopatchinskaja, das der Konzertgänger bereits am Freitag gehört hat; diesmal gemeinsam mit seinem Erstgeborenen.

Weiterlesen

11.11.2016 – Geisterstimmig: Patricia Kopatchinskaja, Iván Fischer, KHO spielen Cerha, Schumann, Beethoven

Dass Robert Schumanns Violinkonzert d-Moll bis heute so einen zweifelhaften Ruf hat, ist völlig unverständlich … sobald man es hört!

Warum das Stück seine Kindheit im Gefängnis verbrachte, eingekerkert von Clara, Brahms und Joseph Joachim, und was die Geisterstimmen von Schumann und Joachim sowie der leibhaftige Joseph Goebbels mit der problematischen Adoleszenz des Konzerts zu tun hatten, hat Patricia Kopatchinskaja in einer lesenswerten Einführung erklärt.

Wie umwerfend es klingt, zeigt Kopatchinskaja im Konzerthaus, bevor sie auch nur einen einzigen Ton gespielt hat: Weiterlesen

3.6.2016 – Sternstunde: Pergolesis „Stabat Mater“ ohne Jaroussky, aber mit Stutzmann

Sänger krank, singt halt der Dirigent: Was man bei Netrebko und Thielemann nur ungern erleben würde, funktioniert im Konzerthaus Berlin. Wobei funktionieren eine Untertreibung ist: Die Enttäuschung darüber, dass der Countertenor und diesjährige Artist in Residence Philippe Jaroussky krankheitsbedingt absagen musste, verwandelt sich dank Nathalie Stutzmann in die glückliche Gewissheit, einer musikalischen Sternstunde ohnegleichen beigewohnt zu haben.

Weiterlesen