Adventürlich: Dietrich Henschel und Andreas Scholl singen Ungewohntes

Weihnachten mal anders!

Zweimal Adventssingen der besonderen Art: Der Bariton Dietrich Henschel stellt im Konzerthaus zwölf von ihm selbst in Auftrag gegebene Weihnachtslieder der Gegenwart vor. Der Countertenor Andreas Scholl loungiert sich im Kreuzberger Watergate-Club durch die Jahrhunderte. Musikalische A(d)ventiuren!

Während am Gendarmenmarkt das terroristensicher einbetonierte Weihnachtsmarkt-Vergnügen knistert und im Großen Saal der Dresdner Kreuzchor tiriliert (der, so Joachim Gauck, seit Jahrhunderten die Seelen der Menschen zu ernähren vermöge), lassen wir gegenwartsmusikgierigen Hirten uns vom Felde in den hübschen Werner-Otto-Saal locken, im Konzerthaus ganz oben rechts. Da hört man zwar öfter mal durchs verdunkelte Fenster die Polizeisirenen – oder sinds die Sanitätersirenen für überglühweinte Marktbesucher? Aber die können das Vergnügen an Dietrich Henschel nicht mindern. Zwölf Fünfminüter hat er in Auftrag gegeben, die sich alle, wie auch immer, auf Weihnachten beziehen sollten. Hier nun also die Weltpremiere! Die älteste Komponistin ist 76, die jüngste 32. Fünf Frauen, sieben Männer übrigens, eine ansehnliche Quote.

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Für Mieczysław Weinberg: Gidon Kremer musiziert mit Martha Argerich und Yulianna Avdeeva

Die Hommage, welche das Konzerthaus am Gendarmenmarkt ihm dieser Tage widmet, hat der Geiger Gidon Kremer einfach zu einer Hommage an den Komponisten Mieczysław Weinberg umgepolt. In zwei Konzerten widmet er sich aufschlussreich Weinbergs Kammermusik. Zwei großartige Pianistinnen stehen ihm dabei zur Seite, übrigens die Chopin-Preisträgerinnen von 1965 und 2010 (Kinners, wie die Zeit vergeht): am Sonntagabend Martha Argerich, am Montagabend Yulianna Avdeeva.

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Freispinnend: Gidon Kremer, David Zinman, KHO spielen Gubaidulina und Schubert

Eine schon liebgewonnene Herbst-Institution sind die Hommages, die das Konzerthaus Berlin seit einigen Jahren veranstaltet. Zuletzt galt sie den Wiener Philharmonikern, einem Ensemble also. Das war ein Sonderfall, entstanden wahrscheinlich aus der günstigen Gelegenheit. Sonst wurden stets einzelne herausragende Musiker geehrt: Die Hommage an den bereits 2007 gestorbenen Rostropowitsch war dabei schon eine Geisterbeschwörung. Die an Nikolaus Harnoncourt kam gerade noch rechtzeitig. Alfred Brendel war, ohne selbst Klavier zu spielen, sehr präsent – als Persönlichkeit und in seinen Schülern. Die Kunst des Geigers Gidon Kremer aber, der man heuer Honneurs erweist, scheint sich auf ihrem Zenit zu befinden, wie seine Interpretation von Sofia Gubaidulinas Violinkonzert Offertorium am Eröffnungswochenende zeigt.

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Wollmilchig: Eröffnung von Young Euro Classic

Eierlegende Wollmilchsäue

Morgens Friday for Future mit Greta T. am Invalidenpark, abends Pastorale mit Ludwig van B. im Konzerthaus: Zu letzterer nimmt der Sohn des Konzertgängers seinen Vater mit – Eröffnung von YOUNG EURO CLASSIC, dem großen Klassikfestival der Sommerferienschwänzer! Zwanzig Jahre wird das heuer alt und setzt einen van B.-Schwerpunkt, weil der nächstes Jahr bekanntlich putzmuntere 250 Jahre alt geworden wäre und immer noch in Wien leben würde, wenn, ja wenn er sich damals nicht so schlimm erkältet hätte bei der Kutschfahrt im Winterregen. Es wird nicht der letzte Beethoven-Zyklus bleiben in den kommenden 18 Monaten.

Es eröffnet das Polska Orkiestra Sinfonia Iuventus imienia Jerzego Semkowa.

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Dreigewittrig: Akademie für Alte Musik pastoralisiert

Pastorale mit Fortbildungsbeilage. Und mehr als das, ein Vergnügen! Die Akademie für Alte Musik Berlin (derzeit übrigens eins von zehn nominierten Ensembles als Gramophone Orchestra of the Year, über das man hier abstimmen kann) kombiniert im Konzerthaus Beethovens bekanntlich keineswegs unverwüstlichen Klassiker mit zwei ähnlich und doch ganz anders gewittrigen Werken von Ignaz Jacob Holzbauer und Justin Heinrich Knecht.

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Mephistophelig: Zlata Chochieva spielt Rachmaninow, Chopin, Skrjabin und Liszt

Feierlicher Nachschlag zum diesjährigen Berliner Klavierfestival: Raritäten aus dem geheimen
Rachmaninow-Keller und mehr mit der vielversprechenden russischen Pianistin Zlata Chochieva im Kleinen Saal des Konzerthauses. Mit den drei Stücken aus Sankt Sergejs 1941 entstandener Transkription der E-Dur-Partita BWV 1006 etwa könnte man Rechtgläubige der Hystorisch Informyrten Bachsocietas wohl foltern, andererseits, wenn schon Bach auf modernem Flügel, warum dann nicht mit Schmackes? Zumal Chochieva das eben doch geschmackssicher dosiert, fast dezent. Die Firma Bösendorfer klingt bei ihr nie nach Rausch, Dröhn & Donner.

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Zeitlosreich: Shai Wosner spielt Schubert

Der sich da in Reihe 4 so verrenkt, ist der Konzertgänger, welcher sich in den Hintern zu beißen versucht, dass er den ersten Auftritt von Shai Wosner beim Klavierfestival im Konzerthaus verpasst hat. Aber diesmal, immerhin, ist er dabei: wieder drei Schubertsonaten, und zwar die letzten. Sanktes Terrain also (darum Sterbehaus zur Linken!). Und nicht nur, weil Shai Wosner – wie Isabel Herzfeld anlässlich des ersten Konzerts anmerkte – dem Komponisten derart ähnelt, sondern auch weil er am Klavier eine körperliche Präsenz hat wie loderndes Schubertfeuer, will der Konzertgänger seine Augen partout nicht schließen. Aber dann zwingt ihn Wosners packendes Klavierspiel doch, keinen Deut Aufmerksamkeit mit Gucken zu verschwenden.

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Phonogen: Valčuha dirigiert Korngold, Chatschaturjan, Janáček

Auch wenn das Berliner Konzerthaus gerade seinen sehr photogenen künftigen Chef Christoph Eschenbach stadtweit plakatiert, scheinen dem Konzertgänger die Auftritte des ausgesprochen phonogenen Ersten Gastdirigenten Juraj Valčuha derzeit die eigentlichen Ereignisse. Es sind am Freitagabend viele Schüler da, die direkt vom #Klimastreik kommen (ein solidarisches „Keep on schwänzing!“ an dieser Stelle), ansonsten ist der Saal bei diesem zweiten von drei Valčuha-Konzerten unter Wert gefüllt. Das heißt, es laufen in Berlin Menschen herum, die freiwillig auf Janáčeks Sinfonietta verzichten!?!

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Exzessgenau: Nikolai Lugansky beim Klavierfestival

Das Berliner Klavierfestival im Konzerthaus, Pflicht- und mehr noch Lusttermin für hiesige Pianophile, ist in der Mitte angekommen. Nach einem laut Isabel Herzfeld sehr gelungenen Schubert-Auftakt mit Shai Wosner und einem Konzert mit Marc-André Hamelin ist nun der überall, nur nicht in Deutschland, weltberühmte Nikolai Lugansky dran. Sein Spiel ist gleichermaßen hochvirtuos wie (für manchen Geschmack: zu) aufgeräumt.

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Frühlingig: Quartetto di Cremona spielt Webern, Respighi und B.

Streichquartett-Frühling in Berlin! Zwischen den Konzerten des Casals, des Vogler, des sich neu erfindenden Artemis-Quartetts (vom Konzertgänger dummerweise verpasst wegen mutmaßlicher Kartenverbummlung durch seinen Zweijährigen) und einer bevorstehenden fetten Quartett-Woche im Boulezsaal ist der Auftritt des Quartetto di Cremona im Konzerthaus mehr als eine Lückenbuße. Ja, es werden sogar Frauenträume wahr. Gleich im ersten Stück, bei Anton Webern! Und zwar nicht nur Musiktheorie-Professorinnen-Träume!

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Humanorganisch: Gérard Griseys „Les espaces acoustiques“ mit Vladimir Jurowski

Heimlicher Höhepunkt der Saison, und für die Anwesenden im Konzerthaus Berlin gar nicht so heimlich: Vladimir Jurowski führt mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) und dem ensemble unitedberlin das Spektral-Spektakel Les espaces acoustiques von Gérard Grisey auf. Wenn man nun pingibel darlegte, was es mit dieser „Spektralmusik“ auf sich hat, deren Opossum Magnum das Werk des 1998 gestorbenen Grisey darstellt – ja, da könnte einem die Lust aufs Hören gleich wieder vergehen. Im Blog von musica viva lässt sich das alles akkurat und durchaus unverquast nachlesen, aber es fehlt doch ein entscheidender Hinweis: nämlich dass das eine berauschende Klangerfahrung von überwältigender Schönheit ist.

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Entgrenzend: Vladimir Jurowski stellt 2019/20 vor und den Gustav dem Brahms gegenüber

Dirigent zieht, Orchester schiebt – in dieselbe Richtung

Was Berlin am Dirigenten Vladimir Jurowski und dem Rundfunk-Sinfonieorchester hat, zeigt nicht nur das jüngste Konzert mit Brahms und Mahler (mehr dazu unten), sondern auch der Ausblick auf die kommende Saison. Die steht unter dem Motto grenzenlos und wurde am passenden Ort vorgestellt: nicht auf der Bornholmer Brücke, aber immerhin im Max-Liebermann-Haus – „wenn Sie nach Berlin reinkommen, gleich links“. Seinen Vertrag beim RSB wird Jurowski, zur allseitigen Freude, bis 2023 verlängern, einige weitere Jahre sind ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

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Flatterig: Fure, Janulytė und Neuwirth bei MaerzMusik

Zu den prägenden Jugenderfahrungen der Frau des Konzertgängers zählt das tagelange mysteriöse Flattergeräusch über dem Badezimmer der Studentinnen-WG. Schließlich untersuchte ein männlicher Übernachtungsgast einmal den Lüftungsschacht und fand Blut und Federn einer verendeten Taube. – Ungefähr so klingt der Beginn von Ashley Fures Bound to the Bow, das ein Programm der aktuellen MaerzMusik mit drei Komponistinnen und dem Konzerthausorchester unter Peter Rundel eröffnet.

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Knallziseliert: Budapest Festival Orchestra im Konzerthaus

Nach der jensinnig-verzwickten Psalmensinfonie noch einen dreinfahrenden Sacre, will man das wirklich? Aber die Knaller müssen abgehakt sein beim Strawinsky-Festival im Berliner Konzerthaus, jene des Herzens und jene des Staats (um mal Sarah Kirsch fehlzuzitieren). Schade allerdings auch im abschließenden Konzert mit dem Budapest Festival Orchestra, dass der späte Strawinsky ganz ausgespart bleibt. Dafür gibt es vorab drei Knallbonbons.

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Elefantastisch: Concertgebouw-Orchester im Konzerthaus

Endlich mal wieder ein rundweg königlicher Auftritt des Koninklijk Concertgebouworkest in Berlin! Zweimal war das Nach-Mariss-Jansons-Orkest in den letzten Jahren hier: einmal mit einem Dirigenten, bei dem der Konzertgänger nicht recht weiß (Manfred Honeck), einmal mit einem deprimierenden Totalausfall (Gatti, unabhängig von den später publik gewordenen Grabscherei-Vorwürfen). Nun aber Iván Fischer, beim Festival Absolut Strawinsky!

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