Ultraschall Tage 3 bis 5

Trio Accanto und Zafraan Ensemble im Heimathafen, Ensemble Resonanz im silent green

Erfreulich wenig Rede beim diesjährigen Ultraschallfestival für neue Musik von Trends, Tendenzen etc. (es gehe neuerdings wieder zum Politischen/zum Subjektiven/zum Popjektiven usw). Das hat immer so etwas Bemühtes, zumindest im Blick auf die laufende Gegenwart. Stattdessen unterschiedlichste Musik, viel Reizvolles, zwischendurch etwas Ratlosigkeit, und zum Ende zwei mich begeisternde Werke italienischer Komponistinnen.

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Musikfest 2019: Les Siècles spielen Rameau, Lachenmann, Berlioz

Abruzzen-Gebirgler pfeifen dir eins!

Das Musikfest auf der Zielgeraden: unter anderem mit einem Klavierdonnerstagabend von Pierre-Laurent Aimard (bei dem man sich ein wenig fragt, wozu) und einem Sonntagskonzert des französischen Orchesters Les Siècles mit seinem Dirigenten François-Xavier Roth: die zwingende und unbedingt notwendige Antwort auf eine Frage, von der man nie wusste, dass man sie hat.

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Musikfest 2019: Peter Eötvös mit dem Ensemble Musikfabrik und den Berliner Philharmonikern

Ein Tag für und mit Peter Eötvös beim Musikfest Berlin: ein einnehmendes musikalisches Beisammensein. Eötvös ist kein eitler Selbstdarsteller, sondern wirkt sachlich, bescheiden, freundlich. Das ist durchaus schätzenswert in Zeiten so vieler grabschender und cholerischer Männer im Klassikbetrieb. Am Sonntag leitet Eötvös (während Frank Castorf mit Verdis La forza del destino das Deutsche-Oper-Publikum triggert) zuerst das Ensemble Musikfabrik im Kammermusiksaal und eine Stunde später die Berliner Philharmoniker im Großen Saal. Keine üble Leistung mit 75! Und es geht dabei auch noch bis nach Japan und ins maurische Mittelalter.

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Musikfest 2019: Aimard spielt Beethoven und Lachenmann

Bilderrätsel (Auflösung am Ende des Artikels): 1 …

Man schaut zweimal aufs Programm: Dieser Pianist spielt die Hammerklaviersonate? Die Kopplung Beethovens mit Lachenmann haben immerhin schon andere versucht, sogar mal Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern (damals haben Teile des Abo-Publikums rotzfrech gehustet und gekichert). Aber erst Beethoven, dann Lachenmann: Das ist doch echter Pierre-Laurent Aimard.

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Starkschwachstark, solovielsaitig: Langes Ultraschall-Wochenende

Großes Bohei um den „Klang“ beim diesjährigen Ultraschall-Festival: Klangerkundungen aller Art, Klangfarben, Klangmischungen … Hat das wirklich mit den bösen Weltumständen zu tun, wie einige Quo-vadis-neue-Musik-Beobachter deuten, mit bewussten oder verängstigten Rückzügen oder Geschrei-opponierenden Widerstandshaltungen? Oder gehts auch eine Nummer kleiner, hats vielleicht mehr mit praktischen Gründen zu tun? Es gibt einige Ensembles mit schrägen Besetzungen, und die verteilen Kompositionsaufträge, und der Komponist muss von was leben, und wenn er für so ungewohnte Mischungen komponiert, liegt das Rumschnüffeln in den Klangmöglichkeiten nahe.

Und daran ist ja auch nix Schlechtes. Weiterlesen

20.1.2017 – Polyphon: Ultraschall-Festival im Heimathafen Neukölln

Die Verbindung Stimme/Streicher ist erotischer und epiphanischer als die klassische Kombination Stimme/Klavier. Das beweist das erste von drei Konzerten, die im Rahmen des Ultraschall-Festivals für neue Musik am Freitag im Heimathafen Neukölln stattfinden. Der Stimme in all ihren Facetten widmet sich das diesjährige, noch bis Sonntag laufende Festival.

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16.10.2015 – Vollkommen zerrissen: Berliner Philharmoniker unter Rattle mit Beethovens Neunter

Zum doppelten Beethoven-Zyklus der Berliner Philharmoniker ist alles gesagt, wenn auch noch nicht von allen. Die besten Kritiken finden sich hier und hier, die schlechtesten… nein, dies ist kein Krawallblog.

Gilt das auch für Beethovens Symphonien: dass alles gesagt ist, nur noch nicht von allen? Natürlich nicht. Musik existiert nur, indem sie gespielt wird, das gilt selbst für die totgenudelte Neunte, die die Form von Psychoterror annehmen kann (als Foltermusik in Clockwork Orange oder als Europahymne). Michael Gielen hat 1978 Schönbergs Überlebenden aus Warschau in die Neunte hineinmontiert, um die Drastik der Symphonie wieder erfahrbar zu machen. Etwas zurückhaltender, aber ebenso ohrenöffnend hat Simon Rattle letztes Jahr der Neunten neue Musik vorangestellt, etwa Helmut Lachenmanns Tableau (hier in einer Aufnahme vom Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken unter Hans Zender):

Der Konzertgänger war damals umgeben von entsetzten Abonnenten, die gern ein paar Lappen draufgelegt hätten, um Lachenmann nicht hören zu müssen. Ihnen konnte nun geholfen werden: Beim Beethovenzyklus der Berliner Philharmoniker gab es zum doppelten Preis die Neunte pur.

Aber gemütlich wird es trotzdem nicht. Wer sich bei dieser glühenden, scharfen, in jeder Hinsicht extrem gespielten Neunten entspannen kann, dem wäre auch mit Schönberg und Lachenmann nicht zu helfen. Die leeren Quinten zu Beginn der Symphonie klingen so fahl und brüchig, dass man Intonationsprobleme der ersten Geigen zu hören meint; was bei diesem Orchester nicht sein kann.  Die Reprise knallt wie der Weltuntergang. Die Pauken im Scherzo wecken auch den letzten Schläfer, der diese Musik einfach schön findet.

Dabei ist an Schönheit kein Mangel. Der sanfte Streicherklang im Adagio lässt jede Karajan-Aufnahme wie dicken Brei klingen. Einzelne Solisten hervorzuheben, im dritten Satz etwa von den Holzbläsern, erübrigt sich bei den Berliner Philharmonikern ohnehin, einer ist besser als die andere.

Dann der ungeheuerliche, in gewisser Weise ja auch plumpe Beginn des Finales: so intensiv gespielt, dass man nicht glauben mag, man kenne das schon.

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Zart, fast unhörbar stimmt die Kontrabässe und Celli schließlich die Ode an die Freude an, diese für den nachfaustusschen Menschen traurigste Musik der Welt. Rattles Philharmoniker und der Rundfunkchor kippen nie ins Lärmende, selbst nicht im Alla Marcia oder den Unisono-Stellen der Männerstimmen, die in den meisten Aufnahmen furchtbar derb klingen. Auch die vier Solisten sind hervorragend, nur mit Annette Daschs Sopran wird der Konzertgänger sich nicht mehr anfreunden. Mag die Neunte nun ein göttliches Werk sein oder ein strukturell unbefriedigendes Ergebnis zwischen Sinfonie und Kantate (so der unverwüstliche Reclam-Konzertführer mit vielen Notenbeispielen): Diese zerrissene, ja zerfetzte Hymne ist und bleibt ergreifend – gerade weil sie sich, sehr frei nach Adrian Leverkühn, in jeder Aufführung selbst zurück nimmt. Erst recht in einer so herausragenden Aufführung wie dieser, mit der die Philharmoniker ihren Beethovenzyklus beenden.

Ob sie sich jetzt drei Tage ins Bett legen und leise schwören: Ein Jahr lang kein Beethoven mehr? Von wegen, im November geht es auf Tournee. Aber erstmal trifft man sich im Kammermusiksaal, um Beethovens Septett zu spielen.

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