Arki abubu: Jörg Widmanns „Babylon“ an der Staatsoper

Kriegenburg, Widmann, Sloterdijk (v.l.n.r.) besichtigen eine Oper

Die Gedenkminute für den gestorbenen Michael Gielen vor der Premiere ist nicht nur die hustenloseste Minute der ganzen Saison, sondern auch der konzentrierteste Klang des Abends. Dabei wird die Stille ja auch später beschworen im wohl aufregendsten Auftritt überhaupt in Jörg Widmanns exuberantem Spektakulum Babylon, wenn das weite und schöne Gewölbe der himmlischen Stimme von Marina Prudenskaya als Euphrat im wallenden Flutenkleid sich an den Moment nach dem Rückgang der Sintflut erinnert. Da erschrickt der Himmel selbst vor der eigenen Tat, angeohrs dieser Stille, gleich einem Bett, in dem ein Kind gestorben ist. Glasharmonika und Akkordeon machen den Orchesterklang schwerelos. Ein wirklich anrührender Moment innerhalb einer Flutwelle von Sound und Gerede, die alles, was anrührend sein könnte, zu verschlucken droht.

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Musikfest 2018: RSB beleuchtet Abel Gance

Zwischen vielen Stunden Stockhausen beim Musikfest was vergleichsweise Tiefenentspannendes: zum Beispiel einen dreistündigen Stummfilm über die Grauen des Ersten Weltkriegs. Live begleitet vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, dem filmorchestrigsten unter Berlins Spitzenorchestern. Auf 4:3-förmiger Leinwand (die für 16:9-deformierte Fernsehaugen fast quadratisch wirkt) gibts J’accuse von Abel Gance, entstanden zwischen August 1918 und März 1919 – ein filmisches Meisterwerk voller Widersprüche: schonungslose Darstellung des Krieges sowohl als auch patriotische Aufforderung zur nationalen Einheit, Naturalismus und Surrealismus vis-à-vis und eine melodramatische Ménage à trois überdies. Eine Musik des Lichts, wie Abel Gance sie postulierte, und alles in allem ein pazifistischer Film, wie Philippe Schoeller findet, dessen neu komponierte Musik für großes Orchester Frank Strobel im Konzerthaus dirigiert. Weiterlesen