Inselig: ECHOES OF SILENCE und Ensemble Musikfabrik

Alles ist anders derzeit, aber manches doch wieder gleich: zum Beispiel, dass zum Kultursaisonstart nicht nur das Musikfest in der Philharmonie stattfindet, sondern auch der Monat der zeitgenössischen Musik. Der dauert angemessenerweise gleich 35 Tage. Er findet auch im Rahmen des Musikfests statt, zum Beispiel mit Konzerten des Ensemble Musikfabrik, aber vor allem über die Stadt verstreut: wie in dem ambitionierten Projekt ECHOES OF SILENCE letzte Woche in der St. Elisabeth-Kirche, einer der Schinkelschen Vorstadtkirchen, die heute als Kulturraum genutzt wird.

Auf zu jenen fernen Inseln, wo die wilden Klangkerle wohnen
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Musikfest 2019: Peter Eötvös mit dem Ensemble Musikfabrik und den Berliner Philharmonikern

Ein Tag für und mit Peter Eötvös beim Musikfest Berlin: ein einnehmendes musikalisches Beisammensein. Eötvös ist kein eitler Selbstdarsteller, sondern wirkt sachlich, bescheiden, freundlich. Das ist durchaus schätzenswert in Zeiten so vieler grabschender und cholerischer Männer im Klassikbetrieb. Am Sonntag leitet Eötvös (während Frank Castorf mit Verdis La forza del destino das Deutsche-Oper-Publikum triggert) zuerst das Ensemble Musikfabrik im Kammermusiksaal und eine Stunde später die Berliner Philharmoniker im Großen Saal. Keine üble Leistung mit 75! Und es geht dabei auch noch bis nach Japan und ins maurische Mittelalter.

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Gegengewichtig: Ensemble Musikfabrik mit Saunders, Birtwistle und 15 Solos

Kräftiges zeitgenössisches Gegengewicht zum Alte-Musik-Schwerpunkt des diesjährigen Musikfests mit seiner Monteverdi-Serie: achtzehn Stück neue Musik à 5 bis 90 Minuten in zwei Konzerten des Ensemble Musikfabrik, Samstagabend und Sonntagmorgen im Kammermusiksaal. Weiterlesen

19.9.2015 – Blau: Stockhausens ‚Erzengel Michael‘

Bei Stockhausen ist es wie weiland bei Wagner, man muss vom Zirkus um die Person absehen, um die Musik wahrzunehmen. Als die Frau des Konzertgängers Stockhausen, Opernzyklus, LICHT hört, befürchtet sie esoterischen Schmu in Überlänge, mindestens sieben Stunden atonale Geheimlehre, und weigert sich glattweg mitzukommen. (Dabei liebt sie den Ring.) Erst als sie erfährt, dass es nur eine gute Stunde geht, schwingt sie sich aufs Rad.

Das Ensemble Musikfabrik unter Ilan Volkov spielt im Haus der Berliner Festspiele ein Drittel eines Siebtels von LICHT, nämlich den II. Akt aus dem DONNERSTAG plus eine Art Ouvertüre sowie Nachspiel vor der Tür. Mit diesen Stücken begann Stockhausen Ende der 70er Jahre seine Arbeit an dem Zyklus. Es ist eine gute Entscheidung, das Stück über die spirituell-musikalische Weltreise des inkarnierten Erzengels Michael (die Stockhausens Curriculum Vitae entspricht) von der heiteren Seite zu nehmen: Schon als der Trompeter Marco Blaauw im drolligen Ritterwams auftritt, weiß man, dass die zahlreich erschienenen Kinder hier richtig sind. Der Posaune spielende Luzifer erscheint mit Umhang wie der Teufel im Kasperletheater. Vor allem aber ist die Musik so sinnlich und aufregend, dass sie unverbildete Hörer unmittelbar anspringt.

Featured imageIm Grunde ist ein fabelhaftes, hochvirtuoses Trompetenkonzert mit einigen szenischen Elementen zu erleben. Die Farbe Blau, die Michael zugeordnet ist, dominiert. Die Stationen der Reise werden mit simplen Requisiten dargestellt: Dom für Köln, siebenstrahlige Krone für New York, Bonsaibäumchen für Japan, Holzmaske für Bali usw. Musikalisch ist von serialistischen Umtrieben über gamelanige Weltmusik und erotische Harfenarpeggien bis zu elektronischer Echokunst alles dabei. Nur gesungen wird in dieser Oper nicht, auch nicht gesprochen, höchstens gehaucht, gepustet, geploppt, in Japan auch murmelnd bis 13 gezählt… Ein Klarinette spielendes Schwalbenpärchen sorgt für eine buffoneske Ebene. Das Bassetthorn des überaus reizenden Sternenmädchens (Merve Kazokoğlu) erklingt zunächst aus jenseitigen Sphären und rettet Michael vor dem Tuba-Drachen, doch dann mündet die Begegnung in eine ziemlich irdische Schäkerei zwischen den Instrumenten. Einen Augenblick muss der Konzertgänger ans Liebesgeplänkel im Heldenleben denken, einem seiner großen Ungunststücke; nein, lieber Stockhausen als Strauss.

Eins, zwei, drei im Sauseschritt folgen noch Verspottung, Kreuzigung, Himmelfahrt; etwas verquast ist es schon. Auch der nicht sehr beeindruckenden Elektronik merkt man an, dass Stockhausens Komposition schon fast 40 Jahre auf dem Buckel hat. Aber es ist herrliche Musik. Findet auch die Frau des Konzertgängers.

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Ensemble Musikfabrik