Hörstörung (2)

Wenn im Konzert das Husten, Niesen, Röcheln, Keuchen, Stöhnen, Flüstern, Murmeln, Piepsen, Fiepsen, Summen, Pfeifen, Fuchteln, Knistern, Klackern, Lutschen, Kauen, Kramen, Klappern, Blättern, Fächern, Scharren, Rutschen, Gehen, Schnarchen, Schreiben überhand nimmt, schwillt dem Konzertgänger der Kamm.

Aber manchmal erlebt man auch die Tragödie eines hustenden Menschen, der guten Willens ist: ein älterer Herr, der am Hustenreiz fast zu ersticken scheint; presst ein Taschentuch auf den Mund, gibt keinen Mucks von sich; zwängt sich durch die Reihe, um den Saal schnell und lautlos zu verlassen; tritt dabei einer schönen Frau auf den zart beschuhten Fuß, wird rot, nickt eine Entschuldigung. Und dann hallen seine Schritte durch den Saal, er rüttelt an der Tür – ach, vergeblich, sie ist verschlossen, er geht zur nächsten Tür, die Schritte hallen, er rüttelt…

Diesem Herrn, der das Gute will und das Schlimme schafft, gehört das Mitgefühl des Konzertgängers; selbst wenn er das Konzert zerstört hat.

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Hörstörung (1)

Wer ins Konzert geht, wird gestört. In einem voluminösen Roman über einen besinnungslosen Konzertgänger, der gern allein auf einer hohen Empore sitzt, heißt es auf S.85:

Dort oben hatte er den angenehmsten Nachbarn, der nie hustete oder nieste oder röchelte oder stöhnte oder keuchte oder laut atmete oder flüsterte oder unbewusst murmelte oder Mm machte oder eine zur vollen Stunde piepsende Armbanduhr trug oder auf die Uhr guckte oder ein fiepsendes Hörgerät hatte oder mitsummte oder mitpfiff oder mitdirigierte oder Bonbons auswickelte oder Bonbons im Mund klackern ließ oder Pralinés lutschte oder kaute oder in der Handtasche kramte oder mit Manschetten- oder sonstigen Knöpfen oder Schmuckstücken klapperte oder im Programmheft blätterte oder sich mit dem Programmheft Luft zufächerte oder mit den Füßen scharrte oder auf dem Sitz herumrutschte oder aus dem Saal hinausging oder schnarchte oder sich Notizen machte usw, dieser angenehmste Nachbar war ein nie benutzter Scheinwerfer.

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