Prachtjammrig: RIAS Kammerchor klagt und klagt

Früher war mehr Lamento? Von wegen, wie dieses Konzert beweist. Die Tour d’Unbekanntes Zeug von Strawinsky des diesjährigen Musikfests läuft aufs Ziel zu, und es ist alles hochinteressant, auch wenn vieles vom Spätwerk bei mir eher Heidenrespekt als wahre Liebe hervorruft. Aber die Kopplung mit polyphonem Renaissance-Jammer ist etwas, was Strawinskys Threni nochmal verexquisitet.

Erhebendes Kopfhängenlassen, wenn der Prophet dir Unglück verheißt
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Mimoso: Zwei Konzerte des Collegium Vocale Gent mit Philippe Herreweghe

Musikfest ist Gastorchester-Zeit. Das Orchestre des Champs-Élysées ist ein Ensemble, das nicht alle Jahre in Berlin zu hören ist. Aber die Hauptattraktion des Konzerts ist der Chor. Das Collegium Vocale Gent gibt es zwei Tage nach einem ersten Konzert mit Orchester noch einmal (fast) allein zu hören, in Madrigalen des Wortklauberichs Gesualdo. Fast alles dreht sich in diesen beiden Konzerten um den Tod; aber wie grundverschieden!

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Byzantopisch: Kaan Bulak im Kammermusiksaal

Die großen Opernhäuser und institutionalisierten Orchester werden den neuen Wellenbrecher-Lockdown schon überleben, wir leidenschaftlichen Konzertgänger auch irgendwie, selbst die Junkies unter uns. Arg wird es für die freien Künstler, nie klang das Wort „frei“ darin so bitter wie derzeit. Aber klagen und jammern hilft nichts, konkrete Forderungen schon. Helge Schneider hat gerade einen herrlichen offenen Brief dazu veröffentlicht, den ich unten in diesem Beitrag (damit Sie weiterlesen!) wiedergebe. Naja, und bevor die Schotten dicht gehen, wollen wir nochmal „freie Künstler“ hören: Hymnen der Zeit mit dem Kaan Bulak & Ensemble im Kammermusiksaal der Philharmonie.

Die Kunst, da steht sie im Abseits (links)
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Wiederwurzelnd: RIAS Kammerchor singt 600 Jahre

Auf in die Mundhöhle des Corona-Löwen: erstes Chorkonzert seit Februar! Es beginnt um 21 Uhr im Hochsicherheitstrakt Philharmonie, spät genug, um nachmittags noch mit dem Söhnchen ein vielleicht letztes Mal für dieses Jahr ins Strandbad zu gehen. In Berlin arbeiten wir ja nicht. Außer den Künstlern!

Auf der Suche nach der verlorenen Wurzel
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14./15.1.2017 – Vielsingend: Vladimir Jurowski beim RSB und beim ensemble unitedberlin

egon_schiele_068Was für ein interessanter, vielseitiger Dirigent ist Vladimir Jurowski.

Am Samstag dirigiert er das Rundfunk-Sinfonieorchester, dessen Chef er im Sommer wird, mit einem Programm von (auf den ersten Blick) gediegener tschechisch-deutsch-russisch-schweizerischer Moderne. Am Sonntag das ensemble unitedberlin, dessen Artistic Advisor er seit 2015 ist, mit einem Programm von (auf den ersten Blick) schwieriger, ja mörderischer italienischer Avantgarde.

Beides im Konzerthaus.

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10.7.2016 – Traummörderisch: Salvatore Sciarrinos „Luci Mie Traditrici“ an der Staatsoper

Gesualdo3Was Brachvogel sein Friedemann Bach und Bartsch sein Schwammerl-Schubert war, ist der Avantgarde ihr Carlo Gesualdo (1566-1613): Es wurden nicht nur Gesualdo-Romane geschrieben und ein Gesualdo-Film gedreht (von Werner Herzog), sondern in den letzten 20 Jahren mindestens vier Gesualdo-Opern komponiert – von Alfred Schnittke, Franz Hummel, Marc-André Dalbavie und Salvatore Sciarrino. Konjunktur eines Stoffs, als lebten wir in seliger Barockoperzeit! Und während sich die alten Komponisten wenig um die historischen Xerxes oder Nero scherten, so geht es heute mehr um den durchgeknallten Ehrenmörder Gesualdo als um Weiterlesen