Herabsphärend

Benedikt Kristjánsson und Margret Köll im Pierre-Boulez-Saal

Gegen die Barockharfe, die in diesem Konzert gleich in mehreren Formen zu erleben ist, wirkt das moderne Konzertgoldflügelgetüm wie ein monströser SUV im Vergleich zu einem wendig-schnittigen Fahrrad. Über mehr als 4000 Jahre leitet Michael Horst in seiner Einleitung die Bedeutung des Instruments und der dazugehörigen Stimme her, bis zu den Pyramiden und natürlich zum Orpheus-Mythos. Vor einigen Wochen hat die Komische Oper einen lohnenden neuen Orfeo vorgestellt: den geradezu simplen von Gluck. Die Lieder von Emilio de‘ Cavalieri und Giulio Caccini, mit denen der Tenor Benedikt Kristjánsson und die Barockharfenistin Margret Köll ihr Programm im Boulezsaal beginnen, erinnern allerdings eher an eine andere, frühere Orphik, nämlich die von Maestro Monteverdi.

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Aufatmend: „Johannespassion“ mit Audi Jugendchorakademie und Akademie für Alte Musik

Das ist mal was anderes von der deutschen Autoindustrie als Diesel, Diesel, Diesel: Licht, Luft und freier Atem mit der Audi Jugendchorakademie. Dieses verdienstvolle Projekt hat talentierte junge Sänger nicht nur nach Montréal oder in die Elbphilharmonie (mit Kent Nagano) geführt, sondern nun schon zum vierten Mal mit der Akademie für Alte Musik in die Berliner Gethsemanekirche. Zuletzt vor zwei Jahren mit der h-Moll-Messe – nun gabs Johann Sebastian Bachs Johannespassion. Wieder vorzüglich. Weiterlesen

10.3.2017 – Verschollen: Poulenc & Janáček in der Werkstatt der Staatsoper

Aus einem großen Juwel sind zwei kleine Juwelen geworden: In der Werkstatt der Staatsoper im Schillertheater (wo es bekanntlich das interessanteste halbneue, neue und allerneueste Musiktheater aller Berliner Opern gibt) wurde das Doppelprogramm La voix humaine von Francis Poulenc und Tagebuch eines Verschollenen von Leoš Janáček wiederaufgenommen.

Jheronimus_Bosch_-_The_Pedlar_-_Google_Art_Project.jpgAber ist es überhaupt eine Wiederaufnahme? Verschollen ist nämlich auch Isabel Ostermanns (Regie) und Günther Albers‘ (Musik) ursprüngliches Konzept von 2014. Das bestand darin, die beiden Stücke nicht nacheinander zu geben, sondern ineinander geschnitten und teilweise sogar übereinander gelegt aufzuführen. Das war problematisch und teilweise nervig, hat aber insgesamt doch verblüffend gut funktioniert. Denn es gelang faszinierend, die beiden Stücke miteinander sprechen zu lassen: hier die Erinnerungen und die Einsamkeit einer Frau am Telefon, die ihren nie zu hörenden Geliebten verliert (Poulenc), dort die Erinnerungen und die Einsamkeit eines jungen Bauern, der aus Liebe zu einer Zigeunerin seine Heimat und Familie verlassen hat (Janáček). Weiterlesen