Resonanz und Hygiene

Was wird nicht alles bekakelt, wenn es um die Klassik geht! Unsterbliche und vergessene Werke, spektakuläre und enttäuschende Aufführungen, Weltstars, Blender, geheime Sandrart-cupidMeister ihres Fachs – keine unwichtigen Dinge, gewiss. Doch wer spricht von den Toiletten? Dabei kann niemand bestreiten, dass der Konzertbesucher dort Minuten von hoher Dringlichkeit verbringt. Nicht nur, weil es innerste Bedürfnisse gilt, sondern auch, weil Musik nachklingen will und muss.

Doch hält das stille Örtchen, was sein Name verheißt? Dieser Frage gehe ich im neuen VAN-Magazin nach. Ein investigativer Blick in die Eingeweide der Klassik.

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3 Gedanken zu „Resonanz und Hygiene

  1. Sehr interessant.
    Eine Geheimtoilette bei D? Davon höre ich zum ersten Mal. Alfred Brendel scheint übrigens auch den kostenlosen Ort im Südfoyer zu nutzen, jedenfalls solange er noch Besucher der Philharmonie war.
    Jedes Mal, wenn ich die calvinistisch anmutende Ermahnung zur Sparsamkeit bei der Betätigung des Seifenspenders lese, geht mir durch den Kopf, dass die Philharmoniker mit einem kompletten Lufthansa-Jumbo auf Konzertreise gehen (O-Ton Lufthansa: „nie zuvor beanspruchte das mit auf die Reise gehende Instrumentarium des Orchesters derart viel Frachtraum“). Ein derartiges Missverhältnis zwischen Eigenverhalten und gefordertem Fremdverhalten könnte man mit einiger Ironie und tagesaktuell als Fillon-Syndrom bezeichnen.
    Übrigens stand neulich wieder ein Schemelchen da, mit Münzen drauf.

    • Tja, neben Brendel an der Vespasienne zu stehen, war mir leider noch nicht vergönnt. Das Südfoyer ist eh am besten zum Nachklingenlassen (draußen ist mir mittlerweile zu viel Rauch).
      Wenn Sie die Geheimtoilette suchen, halten Sie mal Ausschau nach dem sehr schmalen Gang ins Nirgendwo links neben der Treppe.
      Fillon-Syndrom, sehr gut. Das Münz-Schemelchen macht mir die, manchmal borniert wirkenden, Philharmoniker-Abonnenten gleich viel sympathischer.

  2. Großartiger Artikel, und in musikalischer Sprache, ich habe ihn mit Gewinn gelesen! Empfehle ich nicht nur Musikmenschen. Den Gang zum Örtchen sehe ich ab jetzt ein wenig als die Fortsetzung der Musik mit anderen Mitteln. Ich denke jetzt sogar über die Geburt der Musik aus dem Geiste der Toilette nach.
    In Japan, hört man nämlich, ist das ja so nicht möglich mit der Stille, dort gibt es gar keine stillen Örtchen, dort überspielt man eventuell anfallende unabsichtliche Tönchen mit lauter Musik, vermutlich auch wieder viel Bach im unendlichen Kampf unter anderem gegen plätschernde Bächlein.
    Vielleicht hat man die Musikhäuser sogar ursprünglich einmal um die Toiletten herum gebaut, und sie dienten überhaupt ganz profan diesem Zweck? Wo Pierre Boulez die Sprengung der Opernhäuser forderte und damit die der Toiletten mitpostulierte, sage ich: Es ist möglich, daß die Toilette das Gegenteil von Boulez ist, indem sie den Bau der Opernhäuser überhaupt erst gefordert hat, wie ein Urknall des Opernhauses gewissermaßen, allein deshalb muß man sie ehren. Aborte, auf denen so großer Lärm herrschte, daß ihn nur ein ganzes Orchester hätte übertönen können, habe ich jedenfalls im Laufe meines Lebens schon erlebt.
    Vielleicht, wenn ich es recht bedenke, ist die Musik an sich sogar ursprünglich nur zu diesem praktischen Zwecke erfunden worden von unseren weisen Vorfahren, wer weiß? Das wäre die Geburt der Musik aus dem Geiste der Toilette als wesenhaft-ursprüngliche apriorische Bedingung für die viel spätere Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. So bringt mich dieser Artikel gleich zu neuen Forschungsfragen, die ich der Musikwissenschaft und vor allem der Philosophie bald vorlegen werde. Und dann wird ein Lehrstuhl eingerichtet für die Notdurft als notwendige Voraussetzung für die Erfindung der Noten. Ich muß mal dringend mit der Philosophie dazu anfangen.

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