Musiktheater-Education immer krasser, an der Deutschen Oper gibts bereits Babykonzerte und bald vielleicht „Ring des Nibelungen“ für Sperma und „Rigoletto“ für Eizellen. Auch beim AUGENBLICK MAL! Festival des Theaters für junges Publikum, das noch bis Sonntag stattfindet, läuft neben Stücken von 4 bis Ü18 ein musikalisches Theater für die janz Lütten ab initiis: eine fast abstrakte, dennoch (oder gerade drum) entzückende Studie über das Verhältnis von Klang und Bewegung des Berliner Theater o.N. in den Sophiensælen.
Auf 3 mal 3 Filzquadraten, die zu 3 mal 3 Tönen werden, bewegen sich 3 Spieler, die 3 Stimmen haben und außerdem noch 1 Bratsche und 1 Klarinette:
Da schmiegen sich die Töne nach-, an- und übereinander, Bratschenpling und Klarinettenplopp spielen Tennis, und fein rhythmisiert wirds durch kleine Spielszenen und Impulse, etwa wenn ein da stutzt, weils auf ein du trifft. Das erwachsene Ohr hört indes hier eine Prise Amélie, dort einen wollüstig chromatischen Gesualdo-Moment. Das hübsche Lied Heut kommt der Hans zu mir / freut sich die Lies / Ob er aber über Oberammergau / oder aber über Unterammergau / oder aber überhaupt nicht kommt / ist nicht gewiss, das die Kinder beim Hereinkommen begrüßte, zeigt sich am Schluss als der rasante Kanon, der es immer schon war. Danach darf das windeltragende Publikum, das eine halbe Stunde wunders wie aufmerksam war, auf die Plättchen, während die begleitenden Windelwechsler selbst zu Tönen werden. Eine hinreißende, spielerische Schule der Achtsamkeit ist das, für Jung & Alt, wie man so sagt. Der Zweijährige des Konzertgängers fands ebenso herrlich wie der Papa.
Obwohl die Plättchen sich am Ende ordentlich füllen, herrscht bei der besuchten donnerstagnachmittäglichen Vorstellung ein leichtes Missverhältnis zwischen der Zielgruppe erster und zweiter Ordnung, schon im Café der Sophiensæle wird mehr ClubMate als Hagebuttentee gepichelt. Bei den Kita-Terminen an den Vormittagen sei das anders, hört man. Denn das Festival Augenblick mal! ist natürlich keine Fachmesse, sondern eine offene, lebhafte Theaterwoche, die sich an Begeisterung und an Kunstfertigkeit vor dem gleichzeitig laufenden Big Theatertreffen nicht zu verstecken braucht. Das Prinzip ist ähnlich. Die eingeladenen Produktionen kommen allerdings nicht nur aus Düsseldorf, Oberhausen oder Stuttgart, sondern auch aus Sosnowiec, Budapest und Nowosibirsk. Gespielt wird vor allem im federführenden Theater an der Parkaue, aber auch an den beiden Grips-Theatern, dem Theater Strahl am Ostkreuz und eben den Sophiensælen.
Bis Sonntag geht das Ganze noch, von Der kleine Angsthase ab 4 über Helden ab 10 bis zu GIRLS BOYS LOVE CASH ab 15 ist für alle Altersklassen was dabei: ZUM PROGRAMM.
Festival-Bericht im Tagesspiegel.