Musikfest 2019: Aimard spielt Beethoven und Lachenmann

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Man schaut zweimal aufs Programm: Dieser Pianist spielt die Hammerklaviersonate? Die Kopplung Beethovens mit Lachenmann haben immerhin schon andere versucht, sogar mal Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern (damals haben Teile des Abo-Publikums rotzfrech gehustet und gekichert). Aber erst Beethoven, dann Lachenmann: Das ist doch echter Pierre-Laurent Aimard.

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Es wäre allerdings zuviel gesagt, dass sich im ersten Konzertteil die reine Beethoven-Magie über den Kammermusiksaal legte. Vor allem im ersten und im dritten Satz von Beethovens Klaviersonate B-Dur opus 106 vermisst zumindest der Konzertgänger den großen Hammerklaviersonatenatem und wirklich spannende Phrasierung. Und diese leisen feinen Diskantmomente im Kopfsatz, nach dem Akkordgedonner, spielen sich recht nüchtern runter. Das hier relativ zügige Adagio will und will nicht berühren – dass diese Musik derart kaltlassen kann! Der zweite Satz hingegen, das scharf punktierte Scherzo, hat Esprit und funkelnden Witz. Und in den glänzend gespielten Fugen des Finales ist Aimard eh in seinem Element.

Der Pianist spielt aus einem putzigen kleinen Notenbüchlein und lässt sich die Seiten umblatteln. Beethoven mal nach Noten statt auswendig zu spielen ist sympathisch und respektvoll.

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Aimard lässt die Ausklänge nach den Akkorden lang blühen, von der Fermate nach den allerersten Akkorden des Kopfsatzes bis zum Schlussakkord. Listige Vorausdeutung auf Helmut Lachenmann. In dessen Serynade von 1997/98 sind Akkorde, hektische Läufe und fette Unterarm-Cluster die Auslöser für die eigentlichen Klangereignisse, die als tönende Echoschweife im Flügelkorpus stattfinden, tausendfach abgestuft. Und hier breitet sich dann doch Klaviermagie im Kammermusiksaal aus; unsichtbare Fingerwechsel sind ihr stummes Simsalabim, das Pedal der Zauberstab.


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Das alles ist recht statisch, eher Installation als Prozess, aber von hohem sinnlichen Reiz. En passant beschleicht einen der Verdacht, dass so ein moderner Steinway das richtige Instrument für Lachenmann ist, nicht aber für Beethoven. Diese Serynade (das in der Serenade hat Lachenmann von der Widmungsträgerin und Uraufführungs-Pianistin Yukiko Sugawara herübergepuhlt) hat was von einem kindlichen Spiel, aber mit der Kraft eines Supermanns. Freilich gibt es diese Art Kinderspiele, die sich für das im Spiel sich vergessende Kind niemals erschöpfen, für den anfangs faszinierten Betrachter aber irgendwann durchaus. Will heißen, die Serynade ist nicht zu kurz. Anschwellender Exodus im Lauf der dreißig Minuten. Es wird viel geniest im Saal.

Lachenmann ist zu Gast. Als er beim Schlussapplaus zu Aimard auf die Bühne kommt, greift er kurz an die Klaviertastatur. Spielt aber dann doch keine Zugabe. Darum stattdessen diese, eine glücklich machende Aufnahme von Kyoko Lachenmann:

Auflösung Bilderrätsel: Hammer + Klavier + Sohn + AT = Hammerklaviersonate

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4 Gedanken zu „Musikfest 2019: Aimard spielt Beethoven und Lachenmann

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