KURZ UND KRYPTISCH (3): Debussys „Pelléas et Mélisande“ an der Staatsoper

KURZ UND KRITISCH hieß einst eine Rubrik im Tagesspiegel, die es leider nicht mehr gibt. Da aber k & k immer fein ist, wird der Konzertgänger, wenn er wenig Zeit hat, in Zukunft immer mal KURZ UND KRYPTISCH rezensieren. Heute: Vier gewichtige Gründe, zu „Pelléas et Mélisande“ zu gehen

Erster Grund: Die Inszenierung von Ruth Berghaus aus dem Jahr 1991 bleibt eine Arbeit to die for – das bestätigt jedes Wiedersehen an der Lindenoper: ein geradewegs klassisch zu nennendes Spiel von Farben, Licht, Formen und auch überraschender Komik (die abnehmbaren cheveux der Mélisande!). Subtilität und Geheimnis.

Marianne Crebassa ist der zweite Grund. Ihre Stimme zu loben hieße, Ringeltauben nach Spree-Athen zu tragen. So fragil ihr an sich kraftvoller, dabei ungeheuer wandelbarer und stets betörend schöner Mezzosopran in gewissen Momenten klingen kann, so bedrohlich, ja brutal versteht der markante Bariton von Luca Pisaroni zu wirken. Beide Stimmen aber sind voll menschlicher Wärme und tief berührend. Golaud et Mélisande ist das sängerisch ideale Paar – dritter Grund!

Der Yniold eines Tölzer Knaben ist natürlich bemerkenswert, während Wolfgang Schöne als Arkel und Katharina Kammerloher als Geneviève etwas sehr allemands klingen statt nach dem mysteriösen Allemonde. Die Achillesferse bleibt aber vor allem der Pelléas von Rolando Villazón. Ein Auftritt, der eher traurig als hämisch stimmt. Auch wenn die Stimme nicht so lädiert wäre, würde der Interpretation alles Subtile fehlen, die Zwischentöne.

Dass der Eindruck von Villazón dennoch nicht so verheerend ausfällt wie vor einem Jahr, liegt an der äußersten Achtsamkeit des jungen französischen Orchesterleiters Maxime Pascal. Er fingert die Modernität der Partitur ebenso hervor wie ihre berückelnde Schönheit. Ein Dirigat von feiner, erlesener Spannung, nicht nur in den Zwischenspielen sind Atemanhalten machende Klangmischungen zu erleben. Diese stringente, durch Differenzierung fesselnde Orchesterdarbietung lässt sogar die sonst oft nervenden dauergeheimnisselnden Maeterlinck-Gespräche völlig plausibel erscheinen. Und man muss sagen, dass so ein Dirigat alles andere als selbstverständlich ist in Berliner Operngräben, wo solche Sachen manchmal arg pauschal klingen. Man wünscht sich Maxime Pascal also öfter hierzustadt. Seine Arbeit ist der vierte Grund für diese Pelléas et Mélisande-Serie, die es nochmals am 1. und 7. Juni zu erleben gibt.

Bericht zur Wiederaufnahme 2018

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4 Gedanken zu „KURZ UND KRYPTISCH (3): Debussys „Pelléas et Mélisande“ an der Staatsoper

  1. Schön dass Sie da waren.
    Habe damals jede einzelne Vorstellung mit Rattle (2008, waren 3 oder 4) gehört und dann noch eine ein paar Spielzeiten später und habe jetzt das Gefühl mit Pelléas für einige Zeit durch zu sein.
    Auch wenn ich den Dirigenten gerne gehört hätte.
    Ich mag den Barbiere von Berghaus sehr, aber den Pelléas fand ich schon immer sehr merkwürdig. Ich habe damals den Begriff Mottenkugeligkeit geprägt, aber irgendwie wurde der von der deutschen Kulturwelt nur zögerlich aufgenommen. Auf Google gibt es nur 3 Treffer seitdem neben meinem.
    Und jetzt habe ich zur Genüge meinen Kommentar-Senf dazugegeben.

  2. Wenn ich die Staatsoper nicht so unmöglich finden würde, würde ich die Crebassa auch gerne mal erleben. Die muss ja wirklich, wenn ich so die Kritiken verfolge, grandios sein.
    Mir ist dieses Haus einfach zu unbequem für Plätze, die ich als bezahlbar erachte. Ich hätte auch gerne den Macbeth erlebt, aber nicht in dieser bescheuerten Inszenierung und diesem Mann, der da den Macbeth vorgibt zu singen, genauso wie in diesem Fall dieser Faxenschneider, den ich im Übrigen in seiner „Glanzzeit“ schon nicht mochte

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