Hörstörung (28): Simultandolmetschen beim Staatsopern-„Falstaff“

Unbedingt begrüßenswert ist es, wenn Touristen nicht nur Fernsehturm, Mall of Berlin und Madame Tussaud’s besuchen, sondern auch Theater, Konzertsaal oder Oper; dennoch ist „touristisches Publikum“ der Schrecken des hörenwollenden Opernfreunds. Beim derzeit wieder laufenden Verdi-Falstaff an der Staatsoper Unter den Linden (historische Premierenkritik von Schlatz) tuschelts, wisperts und raunts oben im dritten Rang wie im dritten Akt, der im nächtlichen „Spuk“park von Windsor spielt. Das ist nicht, was man hören will; denn mag die flutschige Inszenierung von Mario Martone bei aller Eingängigkeit auch plausibler Settings und etwelcher Gedanken zum Ganzen hart ermangeln, so ist es musikalisch ziemlich rund, Thomas Guggeis dirigiert schneidig, das Ensemble ist gut, allen voran der überragende Michael Volle (in dessen Sir John ich trotzdem nach Bayreuth immer noch den Sachs mithöre). Kontrapunkt des Publikumsgeflüsters ist dann stets das Ermahnen und Zischen der Gestörten. Und einmal entspinnt sich aus dem Rüffel ein kurzes Entr’acte-Gespräch, bei dem man den Grund eines südwestlichen baritonalen Dauermunkelns erfährt, nämlich das (um mit Karlsson vom Dach zu sprechen) unerhört gastfreie Bestreben eines wahren Gentlemans, seiner des gesungenen Italienischen wie des übertitelten Deutschen und Englischen gleichermaßen unkundigen Begleiterin den Fortgang der Falstaff-Handlung simultan zu verdolmetschen.

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