Gar: Artemis Quartett spielt Bartók und Schubert

Hast du „Saunaclub“ gesagt?

Fragt man den gemeinen Dessauer nach dem Bauhaus, wird man zu OBI geschickt, und fragt man den Berliner nach Artemis, landet man im Halenseer „Saunaclub“. Von wegen! Im Kammermusiksaal spielt die Musik: Das Artemis-Quartett hat sich, vier Jahre nach der Katastrophe des Tods von Friedemann Weigle, quasi neu erschaffen. Im vergangenen Sommer verließen die neue Geigerin Anthea Kreston und vor allem der Gründer Eckart Runge, nach dreißig Jahren, das Quartett. Jetzt zu drei Vierteln weiblich, spielt Artemis Schubert und Bartók.

Leise Zweifel in Franz Schuberts Streichquartettsatz c-Moll D 703, ob der neuen Formation mit der Geigerin Suyoen Kim die letzte Vehemenz und Risikofreude fehle, zerstreuen sich in Béla Bartóks 6. Streichquartett, seinem letzten, uraufgeführt 1941 in den USA. Die schwere Trauerstimmung, die Gregor Sigls einsame Bratsche schon am Beginn verbreitet, ist von melancholischem Sog. Und hat doch auch etwas von Freiheit. So wie es hier immer wieder auch Momente vollkommener Homogenität gibt, die der Freiheit des Einzelnen keinen Deut Abbruch tun. Dennoch wirken die beiden tieferen Streicher als das Kraftzentrum des Artemis Quartetts. Vor allem bei der neuen Cellistin Harriet Krijgh spürt man immer wieder den Mut zum krassen Ton (der nichts mit unsauberer Intonation zu tun hat!).

Das gilt erst recht in Schuberts 15. Streichquartett G-Dur D 887. Da scheinen einige Celloklänge direttemang aus dem Jenseits zu tönen. Auch Suoyen Kim, die in diesem Stück die zweite Geige spielt, während sie in den beiden zuvor primariarte, hat solche magischen Passagen, so eine gedämpfte etwa, fast erstickte im Finale.

Hört der Konzertgänger mal eine halbgare Interpretation des G-Dur-Quartetts, ist er nicht mehr sicher, ob das wirklich, wie er dachte, sein Lieblingsquartettwerk sei. Hier aber nun: Tasten, Erstarren und Explodieren. Zittern, und Singen, und Zittern. Die Grundbewegung des Andante hat hier fast eine Art würdevoller Gravitas, dass es einen im weiteren Verlauf des Satzes nur umso heftiger zerreißt. Der dritte und vierte Satz werden mit kompromisslosem Tempo gespielt: Das Scherzo scheint sich unendlich zu beschleunigen, während nach dem Trio eine unendliche Pause den Hörer lauthals anschweigt. Und die erste Geigerin Vineta Sareika, die bereits im Kopfsatz vor der Reprise so eine absteigende Linie hatte, da kannste nur sagen, die raubtier den Atem — diese Sareika beweist im Finale, dass auch der nackte Tod oder sonst ein grauslicher Bruder Lustig im Nacken keine Entschuldigung ist, die perfekte Tongebung sausenzulassen.

Kurz, nun ist der Konzertgänger doch wieder sicher, was das mit dem Lieblingsquartettwerk angeht. Vor dieser Musik stehst du wie Aktaion vor seinen eigenen Hunden. Gut, nicht im Saunaclub gelandet zu sein. Artemis wieder in Berlin: am 22.11. in der UdK und am 23. Januar im Kammermusiksaal.

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2 Gedanken zu „Gar: Artemis Quartett spielt Bartók und Schubert

  1. Wir haben dieses Programm erst im Jänner in Wien. Ich freue mich schon sehr darauf!
    Ich war auch in Erwartung, wie das Artemis-Quartett nach dem großen Umbau aufspielen wird. Ich bin jetzt beruhigt!

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