Frühlingig: Quartetto di Cremona spielt Webern, Respighi und B.

Streichquartett-Frühling in Berlin! Zwischen den Konzerten des Casals, des Vogler, des sich neu erfindenden Artemis-Quartetts (vom Konzertgänger dummerweise verpasst wegen mutmaßlicher Kartenverbummlung durch seinen Zweijährigen) und einer bevorstehenden fetten Quartett-Woche im Boulezsaal ist der Auftritt des Quartetto di Cremona im Konzerthaus mehr als eine Lückenbuße. Ja, es werden sogar Frauenträume wahr. Gleich im ersten Stück, bei Anton Webern! Und zwar nicht nur Musiktheorie-Professorinnen-Träume!

Denn das Vorbild von Weberns seufzerreichem Langsamen Satz für Streichquartett (das der Primarius der Cremoneser stilecht nicht anschnauft, sondern anseufzt) ist unüberhörbar, sofort verklärt sich die Nacht. Erst posthum wurde Weberns schwertonal-schöne Schmonze, ein Jugendwerk, aufgeführt.

Das anno 2000 gegründete Quartetto di Cremona besteht aus vier Männern: einer hat blonde und einer graue Haare, einer lange, einer gar keine. Ein Schwerpunkt liegt auf italienischem Repertoire, und spannend an Ottorino Respighis Streichquartett D-Dur ist für den teutonischen Hörer ja schon, dass Respighi überhaupt Quartette geschrieben hat. Hat er also, dieses hier so um 1904, und war überhaupt ein versierter Kammermusiker, nix nur Pinien und Brunnen und faschistische Feste. Fetter Sound, aber mit girlandenreichen Figuren im ersten Satz, einem zweiten Satz Tema con variazioni, das in heftigen Distortion-Akkorden endet, und einem trotz des Namens erstaunlich aufwühlenden Intermezzo.

Der Kleine Saal des Konzerthauses mag in seiner Direktheit für die Musiker anspruchsvoll sein, oder auch sauschwer – für den Hörer ist er einfach viel kammeriger und musikiger als der sogenannte Kammermusiksaal der Philharmonie. Weil alles nah und lebendig ist, Ächzen inklusive. Trotz ihres exquisiten Niveaus kommts auch bei den Cremonesern zu gelegentlichen Klangausschlägen, die nicht exakt so beabsichtigt scheinen. Aber das Artemisquartett möchte man auch erstmal im Kleinen Konzerthaussaal hören, bevor man das ankreidet!

Am Schluss noch Beethovens Es-Dur-Quartett opus 127, ziemlich geerdet, aber in keinem uiblen Sinn: kantabel, tänzerisch, geschmeidig, ja manchmal geradezu schmissig. Die ruppigen und sforzatigen Momente im ersten Satz werden nicht extrem genommen. Das himmlische Adagio ma non troppo e molto cantabile etwas geschwinde, weder auf Tränen- noch Jenseitsdrüse drückend. Beethoven-Mystiker mögen Mystik vermissen, Beethoven-Analytiker Analytik. Aber man kann sich das bei der Uraufführung (wohl auch von den Ausführenden um Schuppanzigh) unverstandene Werk hier mal durchaus nah an der Kammermusikpraxis um 1825 vorstellen. Pustekuchen, Beethoven hätte da nur mehr aus Sphäre 17 und im Grunde schon auf seinen Tod hin und in den Tod hinein komponiert. Wenn der Beethoven-Mystiker freilich behauptet, es klinge hier in einigen flotten Passagen wie eine Rossini-Ouvertüre, übertreibt er maßlos. Aber trifft doch einen Punkt, was Schwung und Eleganz betrifft.

Arg operà-haft allerdings die Zugabe! Aber auch das hat seine Richtigkeit, es ist nämlich der schmelzige Quartettsatz Crisanthemi von Giacomo Puccini, später in Manon Lescaut ragùtiert.

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2 Gedanken zu „Frühlingig: Quartetto di Cremona spielt Webern, Respighi und B.

  1. Sehe ich eigentlich als einziger die Zahl der FB-Likes nicht? Ich habe etwas rumexperimentiert, aber bin mir nun nicht mehr sicher, ob der Fehler bei meinem WordPress-Account liegt. Sehen Sie die auch nicht mehr?

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