Exzessgenau: Nikolai Lugansky beim Klavierfestival

Das Berliner Klavierfestival im Konzerthaus, Pflicht- und mehr noch Lusttermin für hiesige Pianophile, ist in der Mitte angekommen. Nach einem laut Isabel Herzfeld sehr gelungenen Schubert-Auftakt mit Shai Wosner und einem Konzert mit Marc-André Hamelin ist nun der überall, nur nicht in Deutschland, weltberühmte Nikolai Lugansky dran. Sein Spiel ist gleichermaßen hochvirtuos wie (für manchen Geschmack: zu) aufgeräumt.

Nach César Francks sanftmütig-einlullenden oder halt sterbenslangweiligen Prélude, Fugue et Variation und Claude Debussys tadellosen Images II sowie L’isle joyeuse von entfesselter Mühelosigkeit gerät die zweite, russische Konzerthälfte erheblich aufregender. In Alexander Skrjabins 2. Sonate gis-Moll begegnen noch einige Chopinoiserien, aber zwischendurch auch ein ungeheuerlicher Ausbruch von etwas, eine Explosion – Skrjabin sprach in Meeresmetaphorik von den düsteren Wallungen der tiefen See. Die 3. Sonate fis-Moll aber lodert und züngelt von Beginn an, und im vor Spannung berstenden Finale fürchtet man (vulgo hofft), das Klavier könnte bersten oder der Pianist oder die ganze Welt.

Sergej Rachmaninows Préludes wirken danach geradezu harmlos, aber auch hier pianistische Höchstleistung vom Feinsten: ein Muster an Nuancierung auch im Exzess. Lugansky spielt die Nummern 1, 6, 7, 4 und 5. Sehr willkommen sind die halbwegs leisen Töne im vierten, denn man kommt den ganzen Abend nicht umhin zu bemerken, dass der zwar hagere, aber bärenstarke Lugansky anschlagsmäßig größere Räume gewohnt ist als den Kleinen Saal im Konzerthaus (der an sich für Klavierabende ideal ist!). Wenn Lugansky sich in der Nummer 5, dem berühmten Alla marcia, als die vollkommene Rachmaninow-Maschine erweist, der perfekteste Motor of all times, dann ist einem das aber wieder ganz egal.

Lugansky spielt auf einem Yamaha-Flügel. Ansonsten ist das Klavierfestival auf Bösendorfer umgestiegen, den gibts in den weiteren Konzerten zu hören: am 26. Mai (Wosner spielt Schubert) und am 6. Juni (Zlata Chochieva spielt Rachmaninow, Liszt und kontrastiert Chopin mit Skrjabin).

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