Oboenrein vielfältig: Ensemble Berlin Prag spielt Zelenka, Isang Yun, Bach, F. Couperin

Isang Yun und Jan Dismas Zelenka im Kammermusiksaal, zwei Komponisten mit der stärksten Sogwirkung überhaupt –  eine glühende Kandidatur für die schönste Kombination des Jahres! Der Konzertgänger hat beide erst in jüngerer Zeit für sich entdeckt: den tschechisch-dresdnerischen Barockkomponisten tippelschwrittweise in den vergangenen Jahren, den deutschkoreanischen Klangdenker und Kulturenverschmelzer im zu Ende gehenden Jahr, in dem Yun hundert geworden wäre.

Beim Weiterentdecken hilft ihm das fünfköpfige, 2011 gegründete Ensemble Berlin Prag auf die Sprünge, das laut holpriger Selbstbeschreibung den Standard der Interpretation anzuheben zum Ziel hat, mit dem Schwerpunkt in der stilgerechten Interpretation und der ästhetischen Reinheit. Etwas zu viel ästhetische Reinheit mag man vor dem Konzert befürchten: Einen ganzen Abend lang Oboe? Nein, sogar zwei Oboen?

Da freut man sich, wenn in Johann Sebastian Bachs Triosonate Nr. 6 G-Dur BWV 530 (der Kammermusikfassung einer Orgelsonate) Dominik Wollenweber zum von den Berliner Philharmonikern vertrauten Englischhorn greift, voll feiner Klangfarbennuancen im Zusammenspiel mit Vilém Veverkas Oboe. Und aufs erste Hören auch übersichtlicher als die zwei selbständigen Oboenstimmen in François Couperins L’Espagnole aus Les Nations, dem zweiten Stück im Innenring des Konzerts. Aber auch hier große Freude durch das Gegengewicht von Mor Birons Fagott und Ulrich Wolffs Violone. Das Bühnenereignis überhaupt ist die Herzenstschechin Barbara Maria Willi, die nur halb so groß ist wie Wollenweber und in goldenen Schuhen und im Stehen das Cembalo spielt und überhaupt wie die Synthie-Virtuosin der „Bohumil Hrabal Underground Chapel“ wirkt.

Volle Pulle zwei Oboen und nix weiter dagegen in Isang Yuns Inventionen (1983), dem ersten Außenring des Programms: ein Traum, diese ästhetische Reinheit. Yuns charakteristische, aus einem einzigen Ton treibende Grundenergie steckt beim Hören unmittelbar an. Als Antreibicum movens fungieren in den vier Stücken das Prinzip des Trillers, der Glissandi, der Vorschläge und, heißa hopsa Darmstadtdogmatiker, der Harmonie: Emanzipation der Konsonanz, aber ohne neospirituelle Betäubung durch Wohlklang, das ist was. Am Ende steigts in die Luft hinaus und löst sich auf.

Und bildet eine vorzügliche Verbindung zum äußersten Programmring, zwei Sonaten von Jan Dismas Zelenka, wiederum in Fünferbesetzung. Eingangs Nr. 4 g-Moll ZWV 181, 4, ausgangs Nr. 5 F-Dur ZWV 181, 5. Die Kombination wäre noch wirkungsvoller ohne die langen Raus-und-reindefilierpausen zwischen den Stücken, aber dennoch. Man spürt in jedem Moment, dass Zelenka der Geburtsgrund und Hauptdaseinszweck des glänzenden Ensemble Berlin Prag ist, das diese Triosonaten auch aufgenommen hat.

Hier die erste Sonate (die nicht auf dem Programm stand, und der Kammermusiksaal hat sich auch verändert):

Dem Ohr gehts beim Zelenka-Hören genau wie bei Yun, es verliebt sich unmittelbar in die manchmal fast schrullig scheinende Eigenart dieses Komponisten. Die F-Dur-Sonate erinnert stellenweise an (den viel späteren) Carl Philipp Emanuel Bach mit diesen abrupten extremen Tempokontrasten, den Überraschungsschneckenattacken. Dann wieder meint man das verschollene siebte Brandenburgische Konzert zu hören, aber geschrieben, nachdem der Komponist noch irgendwas Illegales eingeworfen hat.

Aufs Ganze aber: Zelenka. Vorsatz für 2018, mehr Zelenka hören, mehr Isang Yun und überhaupt mehr alte und neue Kammermusik. Hier die finale Programmkoppelung noch in zwei ganz anderen Interpretationen:

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