5.12.2016 – Engelsweltlich: Bach, Bach und Bach mit John Eliot Gardiner, Monteverdi Choir, English Baroque Soloists

Es gibt Konzerte, bei denen sind die Erwartungen so hoch, dass sie eigentlich kaum erfüllt werden können; und dann werden sie doch übertroffen, und man hat es vorher gewusst. John Eliot Gardiners Bach-Konzert in der Philharmonie ist so ein Fall.

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Das Publikum ist so kultiviert, dass man sich nicht wunderte, wenn im Foyer Latein gesprochen würde. Was nur gut lutherisch wäre, denn der Reformator lehnte ja die alte Kirchensprache keineswegs ab, und es war in keiner Weise ein Zugeständnis an die römisch-katholische Kirche, sondern durchaus lutherische Praxis (Michel Roubinet), wenn Johann Sebastian Bach in der Messe F-Dur BWV 233 den lateinischen Text vertonte. Aber ob man Lutheraner, Römer oder sonst ein Menschenkind ist, spielt keine Rolle, spielt gar keine Rolle im Land der Dämmerung (H. Lilienstengel), das da Musik heißt und im Fall Gardiners ein Reich von überirdischer Hellsichtigkeit ist.

Das Gloria in excelsis ist von einer auf verhaltene Weise überbordenden Freude geprägt, was ein Widerspruch wäre, wenn Gardiner und seine Musiker sie nicht hör- und fühlbar machten. Ihre Mittel sind: Gelehrtheit, Präzision, Spielfreude. Allein der prächtige Schlussakkord des Kyrie und die jubelnde Eruption, in der auf ein kleines Handzeichen Gardiners das Wort Deo erschallt, lassen das Herz vor Freude hüpfen und zucken, auch wenn man mucksmäuschenstill sitzt.

So bleibt es auch in der weihnachtlichen Kantate Süßer Trost, mein Jesus kömmt BWV 151 und dem abschließenden, krönenden Magnificat Es-Dur BWV 243a.

Die English Baroque Soloists machen ihrem Namen alle Ehre, es sind lauter erstrangige Solisten: Oboe und erste Geige, Flöte, Cello, Trompete. Der Klang des kleinen Kollektivs ist stets prägnant, schlank und strahlend, historisch, aber niemals ruppig oder struppig.

Das alles, und noch viel mehr, gilt auch für den bewunderungswürdigen Monteverdi Choir, der hoch differenziert und dabei (oder deswegen) hoch emotional klingt, man kann nur staunen. Zehn schön klingende, deutlich artikulierende Solisten treten im Lauf des Abends aus dem 22stimmigen Chor hervor, und es wäre schwierig, eine(n) einzelne(n) hervorzuheben: glasklar die Soprane, akrobatisch die Tenöre, edel voluminös die Bässe…

Zwei Namen dennoch, aber nur als partes pro toto: erstens der amerikanische Countertenor Reginald Mobley. Nicht aus dem ganz oberflächlichen Grund, dass es toll aussieht, wie dieser stämmige, dunkelhäutige Sänger im schwarzen Frack als einziger Mann in der weißgeblusten Damenreihe, zwischen den Altstimmen, steht. Auch nicht, weil er früher u.a. Jazzsänger im Disneyland Tokyo war. Sondern wegen seines innigen, anrührenden Tons und seiner hohen Verzierungskunst.

Zweitens die Sopranistin Angela Hicks, deren von einer Flöte (Rachel Beckett) begleitete Arie Süßer Trost, mein Jesus kömmt natürlich der adventliche Höhepunkt des Programms ist. Das klingt, als ließe Gardiner hier ein Kind singen, ein himmlisches Kind. Klarer Fall von Engelsarbeit! Aber was sich von Angela Hicks sagen lässt, gilt für alle Sänger dieses Abends: berückend, wie einfach und natürlich höchste Kunstfertigkeit klingen kann.

Doch das Schönste an diesen Stimmen ist, wie sie sich verbinden, nicht nur zum abgestuften, aufgefächerten Chorklang, sondern auch zu zweien oder zu dreien. Das Terzett Suscepit Israel im Magnificat, von einer einzelnen Barocktrompete begleitet, tönt wie nicht von dieser Welt.

Gardiner_24619_MR.inddEinen einzigen Einwand könnte man machen: Der Große Saal der Philharmonie ist eben das, groß, zu groß für diese Musik. Doch wenn der Chor a cappella den polyphonen Satz des Vom Himmel hoch, da komm ich her anstimmt, löst sich dieser Einwand flugs in himmlische Luft auf, so unendlich fern und vollkommen transparent zugleich klingt das: aus der Welt der Engel. Music in the castle of heaven, wie Gardiner sein Buch über Bach genannt hat.

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2 Gedanken zu „5.12.2016 – Engelsweltlich: Bach, Bach und Bach mit John Eliot Gardiner, Monteverdi Choir, English Baroque Soloists

  1. passt zwar nicht, aber die Klasse Meldung gerade gelesen
    Der Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Oper in Berlin, der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, hat heute die Vertragsverlängerung mit Donald Runnicles, Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin, bis zum Jahr 2022 unterzeichnet. Bereits im Dezember 2015 hatte der Stiftungsrat den Verlängerungen mit Dietmar Schwarz, Intendant der Deutschen Oper Berlin, als auch mit Thomas Fehrle, Geschäftsführender Direktor der Deutschen Oper Berlin, ebenfalls bis zum Jahr 2022 zugestimmt und die Verträge verlängert.

    Runnicles ist seit 2009 Generalmusikdirektor. Im Mai 2012 verlängerte die Stiftung Oper in Berlin seinen Vertrag vorzeitig um vier Jahre bis Juli 2018. Fehrle hatte sein Amt im Sommer 2011 angetreten, Schwarz übernahm zur Spielzeit 2012/13 die Intendanz der Deutschen Oper Berlin. Alle drei Verträge laufen nun bis August 2022

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