Abschlusskonzert des sechstägigen intonations-Festivals im Jüdischen Museum. Wie bei einer guten Party sind die spätesten Gäste die besten, zumindest die berühmtesten: Martha Argerich und Daniel Barenboim spielen Igor Strawinskys Le Sacre du Printemps in der Fassung für Klavier zu vier Händen, einer Transkription, die die Welt nicht braucht. Aber von diesen beiden Pianisten, Barenboim nonchalant, Argerich suggestiv, ließe man sich auch das Telefonbuch vorspielen. Erst kurz vor Ultimo, in der Action rituelle des ancêtres, als Argerich ihren lockenden, lodernden Ton rollen lässt, entsteht der erhoffte Sog. Trotzdem spürt man im Publikum ein leichtes Aufatmen, als das Duo zur Zugabe Mozart spielt, zwei Sätze aus KV 381; und als in der dritten Zugabe, Tschaikowskys Tanz der Zuckerfee, der Klavierdiskant zur Celesta wird, lächelt Argerich so beglückt wie das Publikum. Beim Schlussapplaus gibt Barenboim Küsse – allerdings nicht Argerich, sondern seiner Frau, der Festivalleiterin Elena Bashkirova.
Das Entspannungsbedürfnis des Publikums verdankt sich auch einem anspruchsvollen vorausgegangenen Programm, wie es typisch für intonations ist: Im Stabat Mater für Sopran, Klarinette und Streichtrio des jordanischen Komponisten Saed Haddad erahnt man aufgrund der suboptimalen Akustik des Glashofs den flüsternden Beginn und zarte Flageolettklänge mehr als dass man sie hört, aber zweifellos ist es sehr stimmungsvolle Musik, deren nächtliche Verse die israelische Sängerin Claire Meghnagi ergreifend singt.
Kristalline Flageolettklänge ebenso wie schweres spätromantisches Vibrato zeigt Michael Barenboim in Arnold Schönbergs später Fantasie für Violine und Klavier, mit Denis Kozhukhin als Begleiter. Beste Pingpong-Kammermusik, sehr dialogisch, ist Hanns Eislers Duo für Violine und Violoncello, das Michael Barenboim gemeinsam mit Timothy Park spielt. Dazwischen vom Michelangelo Quartett das vielleicht musikalisch komplexeste Stück, Béla Bartóks Streichquartett Nr. 3, offenhörlich strengst gearbeitet, wenn auch aus wenig erotischem Material (Quarte plus None). Im zweiten Satz eine dolle Steigerung mit Barbaro-Fugato, das den Bogen zum Sacre schlägt; welches im direkten Vergleich verblüffend eindimensional wirkt. Dass die große Weltstar-Erscheinung am Ende einfach ein Auftritt von vielen ist, spricht für den Reichtum des Festivals.
Die Vorstellung, wie Barenboim und Argerich vierhändig das Telefonbuch spielen, kriege ich jetzt nicht mehr so schnell aus dem Kopf…