Dass Robert Schumanns Violinkonzert d-Moll bis heute so einen zweifelhaften Ruf hat, ist völlig unverständlich … sobald man es hört!
Warum das Stück seine Kindheit im Gefängnis verbrachte, eingekerkert von Clara, Brahms und Joseph Joachim, und was die Geisterstimmen von Schumann und Joachim sowie der leibhaftige Joseph Goebbels mit der problematischen Adoleszenz des Konzerts zu tun hatten, hat Patricia Kopatchinskaja in einer lesenswerten Einführung erklärt.
Wie umwerfend es klingt, zeigt Kopatchinskaja im Konzerthaus, bevor sie auch nur einen einzigen Ton gespielt hat: mitsingend, mitwippend, (stumm) mitjubelnd, (stumm) mitschreiend, während das energiegeladene Konzerthausorchester unter Iván Fischer den wuchtig-drangvollen Beginn des Konzerts spielt. Mitgerissen und mitreißend. So auch Kopatchinskajas Spiel, als der Solopart endlich einsetzt, expressiv ist gar kein Ausdruck: Sie stürzt sich kopfüber ins Unspielbare, keinerlei Vibrato dort, wo es bloß der Tonaufhübschung dienen würde, dafür um so heftiger da, wo die Seele im Schüttelfrost zerbirst. Tonschönheit ist nichts, aber gewaltig schön, was dabei herauskommt, nicht obwohl, sondern weil es so zerrissen ist. Den einen oder anderen Hörer irritiert es, den Konzertgänger irisiert es. Rekordverdächtig: Schon beim Seitenthema in der Exposition der Solistin muss er weinen.
Im spiritistisch fahlen Ton des zweiten Satzes glaubt man gern, dass Schumanns Geist in den 1920ern Joseph Joachims Nachfahrinnen gerüffelt hat, diese Musik endlich zu veröffentlichen. Auch und vor allem das von Joachim besonders bekrittelte Finale, jene seltsame Polonaise von höherer Fröhlichkeit, der Kopatchinskaja sehr passend das Etikett endzeitlich verleiht: der letzte Tanz eines verblutenden Ritters, wird sie später sagen.
Stimmige Zugabe: Drei von Iván Fischer komponierte Tänze, Ragtime, Bossanova und Tango, mit Fischer am ins Parkett geschobenen Klavier und Kopatchinskaja, die auf dem Bühnenrand sitzt. Clint Eastwood hat einmal gesagt, dass er sich eigentlich als gescheiterten Barpianisten sehe. Kopatchinskaja nun mag eine einzigartige Geigerin sein und Fischer ein famoser Dirigent, aber hier beweisen sie, dass sie eigentlich zwei verkrachte Kaffeehausmusiker sind. Grandios, spätestens jetzt ist das Konzerthaus der schönste Ort der Welt.
Zuvor gab es Skizzen von Friedrich Cerha, 1926 geboren und darum im Programmheft ungewollt grob als wichtigster noch [!] lebender österreichischer Komponist seiner Generation bezeichnet: prägnante Stücke mit klaren atmosphärischen Kontrasten, raffinierte Musik mit (nach flüchtigem Höreindruck) dem Flair der freien Wiener Atonalität vor 1910, aber rhythmisch prägnanter und mit Prisen von Strawinsky, Ravel, Mahler. Was einen Teil des Publikums nicht davon abhält, der Musik eins zu husten. Der Applaus zeigt zwar, dass die Musik den meisten gefällt. Aber eine Minderheit reicht, sie inakzeptabel zu stören.
Zum Abschluss dann eine Vierte von Beethoven, in der vielleicht nicht die ganz großen Linien dominieren, aber jede Menge Kraft, Tanz und immenser Witz liegen. Fischers Naturell entsprechend gerät das Scherzo mit plastischen Figuren ganz wunderbar, das singende Perpetuum mobile des Schlusssatzes sowieso. Unter den hervorragenden Solisten des gut aufgelegten Konzerthausorchesters tun sich besonders der Klarinettist Ralf Forster hervor sowie Rainer Luft, der sein Fagott todesmutig durchs halsbrecherische Finale führt.
Sonntag um 16 Uhr wird das Konzerthaus mit identischem Programm nochmal zum schönsten Ort der Welt.
Dann allerdings ohne anschließendes Late-Night-Programm, zu dem am Freitag Kopatchinskaja und die Pianistin Polina Leschenko noch in den Werner-Otto-Saal luden: Nicht nur Anton Weberns gedämpft beziehungsreiche Vier Stücke für Violine und Klavier tönen da wie aus dem Geisterreich, sondern auch das anschließende Stimmen der Violine und der Faltenwurf von Kopatchinskajas Kleid. Und natürlich Robert Schumanns Violinsonate d-Moll, in dem es von Flageolettwispern und ungewöhnlichen Sul-Ponticello-Passagen nur so wimmelt. Herzzerreißend, als die Geige Aus tiefer Not schrei ich zu dir zu singen beginnt. Und so imposant wie lehrreich, zugleich endgültig entrückend, kurz: stimmig ist es, dass Kopatchinskaja und Leschenko als Zugabe nochmal die vier Webern-Stücke spielen.
Kritik im Tagesspiegel.
da war ich dann schon 2x d gehe am 20. und dann noch mal den Dienstag drauf und dann Ende Januar. Im Übrigen hat Brück heute auch schon wieder den Rigoletto abgesagt
ich werde morgen um 16 Uhr dort sicherlich nicht sein, werde mich dann auf den Weg zu den Hugenotten machen. Bin riesig gespannt, die Bilder auf der Website der DO versprechen so einiges
Okay, erstklassige Alternative. Da gehe ich am 23.11. hin.