Brummsummend: sinn entflinnen mit Wolf & WUMM!

Immer wenn man mal wieder von Großopernregien ermattet ist (womit nicht das ach so böse „Regietheater“ gemeint ist oder gar die Idee von Inszenierung an sich, sondern eher faule Als-ob-Regie, wie zuletzt erlebt in den staatsöperlichen Falstaff und Figaro ), dann wird’s mal wieder Zeit für „Kindertheater“. Auch da gibt es natürlich Höhen und Tiefen, aber das Publikum ist unbehumpsbar. Also auf mit dem Fünfjährigen zu WUMM!

Ein Kinderstück muss sich selbst erklären, vorhergehende Lektüre hochtrabender Exposés und Rezeptionsintroduktionen ist beim jungen Publikum nicht erwartbar (beim alten eigentlich auch nicht, was aber die Verantwortlichen oft nicht schert). Trotzdem setzt WUMM! wagemutig gar mit einem Streichquartett-Scherzo von Mendelssohn ein, was sehr schön ist und gerade so noch klappt. Musik bleibt die ganze Zeit dabei, von Kurtág etwa oder Amy Beach, und sogar eine echte Uraufführung von Jessie Marino; da gibt es eben Pizzicati mit Zungenschnalzen und Wangenploppen, das summt und wummt einfach.

Das Herzstück jedoch bilden Wortmüsiken von Kurt Schwitters (bö wö tää, täterää: die legendäre Ursonate des Dada) und zu meiner immensen Freude auch von der großartigen Lyrikerin Uljana Wolf. Deren Gedichtbände bei kookbooks, in der feinsten & interessantesten & vergnüglichsten Gegenwartslyrikreihe im ganzen Lande, enthalten immer frappant Kindertaugliches, wie ich in den letzten Jahren beim Versuch am eigenen Kind schon feststellen durfte. Wenn Wolf nun auch noch ausdrücklich für Kinder schreibt, kommen ganz viele möchte-wolle-wolke-duftige Verse dabei heraus wie:

wer fupste denn da die grimmige glimm

mit ihrer bimsigen laune?

Wer da nicht mit-wittern will beim sinn-entgrimmen, dem ist nicht zu helfen. Und so wird die Welt aus dem wortraupenschlaf (genau:) verschmetterlingt. So: schau was wir entdecken / wenn die laute minglen / wie sich wesen verstecken / in den wortigsten dingen! Das geht glatt durch als „mein erster Eichendorff“, und viel mehr und lustiger, und alles zwischen gemütlichen Kissenbergen. Von der Decke hängen dabei pfantasieletternförmige Kissen an schwarzen Schnüren herab (in denen man allerdings nur im wortfitzelnden Sinn schaukeln sollte). Und natürlich müssen Publikum und Stück sich immer wieder in Bewegung setzen, wenn ersteres hibbelig wird, um Zweiteres nicht zu zerribbeln. Rebecca Beyer, Vera Kardos, Daniella Strasfogel und Sophie Notte heißen die vier Streich- und Stimmerinnen, deren Notenblätter in Mitgutsch-Wimmelbuch- und Drei Räuber-Buchrücken stecken. Die Kinder lassen sich animieren, mit Ellenbogen zu riechen und mit Fußohren zu hören. Oder jener Hexe, die ein altes ungarisches Wiegenlied mit sich selbst mit mehreren Stimmen singt, aber dann in ihrem eigenen Echo festhängt (Marinos Inside the Echo), aus der bimsigen Laune und dem glimmigen Sinn herauszuhelfen. Oder man tanzt einfach mal, Slim Gaillards Communication in einem originellen Arrangement von Manuel Pessoa de Lima mit Kassettenrekorder.

Bimsigen Erwachsenen mag das Programm über die Dauer einer Stunde gelegentlich etwas unstrukturiert erscheinen, der dramaturgische Schliff ist doch von wechselndem Feinheitsgrad. Der Kinder-Indikator des „ob der zauber gelingt“ ist ja einfacher: Bleibt das Publikum bei der Sache oder nicht? Ein gewisser Wechsel von Aufmerksamkeit und Abmerksamkeit ist zu verzeichnen, erst am Ende wird es etwas heikel. (Wobei es ja auch da viele Faktoren gibt – ein Vater etwa, dessen Junge dann logischerweise komplett ausmerksam wird, starrt während der ganzen Aufführung ununterbrochen aufs Smartphone. Also, manche Verwachsene sollte echt die grimmige glimm am mokokel schnassen.)

Mein Sohn aber hat die allerunbimsigste Laune bis zum Schluss, tanzt unermüdlich zu Communication. Erst als ich ihn auf dem Heimweg frage, ob’s ihm gefallen habe, antwortet er leicht verärgert: „Hab ich doch schon zweimal gesagt – JA!“ Und was am besten? „Alles.“ Thank you for communication, my dear.

Im Dock 11 in der Prenzlberger Kastanienalle fand das Programm statt, weitere Aufführungen gibt es etwa monatlich bis Februar in Schöneberg und Friedrichshain. Wortlaut ist der Übertitel des Projekts: Wumm! ist für die Riesengroßen, will sagen ab vier Jahre. Für Zwei- bis Vierjährige gibt es Brumm! Und für alle ab Null (und denen darunter wird’s auch nicht schaden) Summ!

Infos und Termine zu „Wortlaut“

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